Verr�ter wie wir
Nachrichtendienst in Kontakt steht oder stand?«
»Nein.«
»Niemanden, der ähnliches Material anderweitig verhökert? Egal an wen – Polizei, Konzerne, Privatpersonen, ganz gleich, wo auf der Welt?«
»Hab ich nie was gehört. Ich will meine Kinder in England haben. Jetzt. Ich will meinen Deal, gottverdammt.«
»Ich will auch, dass Sie Ihren Deal bekommen. Dick und Harrywollen, dass Sie Ihren Deal bekommen. Der Professor will es. Wir ziehen alle am selben Strang. Aber erst müssen Sie uns überzeugen, und ich muss die restlichen Apparatschiks in London überzeugen.«
»Scheißprinz legt mich um, verdammt.«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
»Hat er. Auf Scheißbeerdigung: ›Nicht traurig sein, Dima. Bald wirst du sein bei Mischa.‹ War Witz. Schlechter Witz.«
»Wie lief die Unterzeichnung vorhin?«
»Super. Hälfte von mein Scheißleben ist weg.«
»Dann sehen wir zu, dass wir die andere Hälfte geregelt kriegen, einverstanden?«
* * *
Luke weiß ausnahmsweise ganz genau, wer er ist und was er tut. Auch die Clubleitung weiß das. Er ist ein Mann mit Geld in der Tasche, Monsieur Michel Despard, und er wartet auf seine exzentrische alte Tante, die ihn zum Mittagessen einladen will, die berühmte Malerin von der Île St.-Louis, von der kein Mensch je gehört hat. Ihr Sekretär hat einen Tisch für die beiden bestellt, aber exzentrisch, wie die alte Dame ist, kann es auch sein, dass sie gar nicht aufkreuzt. Das kennt Michel Despard schon an ihr, und der Club offenbar auch, denn ein teilnahmsvoller Oberkellner hat ihn in eine stille Ecke der Bar dirigiert, wo er an diesem verregneten Montag nach Belieben warten und gern auch seine Geschäfte wahrnehmen darf – und danke, Monsieur, danke vielmals; mit einem Hunderter lebt es sich gleich ein Stück leichter.
Ist Lukes Tante wirklich Mitglied im Club des Rois? Mais oui! Oder ihr verstorbener Gönner, der Comte, war Mitglied, was ist da der Unterschied? So jedenfalls die Geschichte, die Ollie in seiner Eigenschaft als Sekretär von LukesTante zusammengesponnen hat. Und wie es Hector so treffend formuliert hat, einen besseren Mann für die Hintertür findet man in der Branche nicht, und falls etwas der Bestätigung bedarf: Die Tante wird es bestätigen.
Und Luke ist zufrieden. Er ist in operativer Hochform, ruhig, unaufgeregt. Nach außen hin ist er ein geduldeter Gast, abgeschoben ans Katzentischchen des Clubraums. Mit seiner Hornbrille, seinem Headset und dem aufgeklappten Laptop wirkt er einfach wie ein gestresster Manager, der am Montag die Rückstände vom Wochenende hereinzuholen versucht.
Doch innen drin, da ist er in seinem Element, so erfüllt und gelöst, wie er nur sein kann. Er ist die stetige Stimme im ungehörten Donner der Schlacht. Er ist der Späher, der alles sieht und ans Hauptquartier weitergibt. Er ist der Krisenmanager, der Mann fürs Kleingedruckte, der Adjutant mit dem Blick für das wesentliche Detail, das sein geplagter Kommandant übersieht oder nicht sehen will. Für Hector sind diese beiden »arabischen Polizisten« ein Hirngespinst, geboren aus Perrys übergroßer Sorge um Gails Sicherheit. Wenn es sie überhaupt gab, dann waren es zwei brave französische Gendarmen, die an einem Sonntagabend Langeweile hatten. Für Luke dagegen stellen sie ungeprüftes operatives Material dar, das sich weder bestätigen noch abtun lässt, sondern das es zu speichern gilt, bis mehr an Information verfügbar ist.
Er schaut auf seine Uhr, dann auf den Bildschirm. Sechs Minuten, seit Perry und Dima die Treppe zu den Umkleideräumen hinunterverschwunden sind. Vier Minuten und zwanzig Sekunden, seit Ollie ihr Eintreffen im Massageraum bestätigt hat.
Er hebt den Blick ein Stück, lässt ihn über die Szene vor ihm wandern: als Erstes die Sieben Sauberen Emissäre, alias die Armani-Gang, die griesgrämig Canapés in sich hineinstopfen, Champagner hinunterschütten und offenbar wenigLust dazu verspüren, Small Talk mit ihren kostspieligen Begleiterinnen zu machen. Ihr Tagwerk ist bereits vollbracht. Sie haben unterschrieben. Sie sind halb schon in Bern, ihrer nächsten Station. Sie sind gelangweilt, verkatert und rastlos. Die Weiber gestern Nacht waren eine Enttäuschung, zumindest stellt Luke sich das vor. Und wie nennt Gail gleich wieder diese beiden Schweizer Bankiers, die in einer Ecke für sich sitzen, nur ihr Mineralwasser zur Gesellschaft? Peter und der Wolf.
Wunderbar, Gail. Alles an ihr ist wunderbar. Allein ihr zuzusehen, wie sie ihre
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