Verr�ter wie wir
Shortstasche verschwinden, schlüpft in ein langärmliges T-Shirt, Socken, Turnschuhe. Das Ganze nimmt nicht mehr als ein paar Sekunden in Anspruch. Die eine Duschkabine geht auf. Ein dicker älterer Mann kommt heraus, ein Handtuch um den Bauch.
» Bonjour tout le monde! «
Bonjour.
Der dicke ältere Mann öffnet seinen Spind, lässt das Handtuch auf seine Füße fallen, holt einen Kleiderbügel heraus. Die zweite Duschkabine geht auf. Ein zweiter älterer Mann erscheint.
» Quelle horreur, la pluie! «, beschwert sich der zweite ältere Mann.
Perry gibt ihm recht. Wirklich grauenhaft, dieser Regen. Energisch klopft er bei der rechten Massagekabine. Drei Mal nur, kurz, aber fest. Dima steht hinter ihm.
» C’est occupé «, warnt der erste ältere Mann.
» Pour moi, alors «, sagt Perry.
» Lundi, c’est tout fermé «, legt ihm der zweite ältere Mann nahe.
Ollie öffnet von innen. Sie schieben sich an ihm vorbei. Ollie drückt die Tür zu, versetzt Perry einen ermutigenden Klaps auf den Arm. Er hat den Ohrring abgenommen und das Haar glatt nach hinten gekämmt. Er trägt einen weißen Kittel. Es ist, als hätte er eine Persönlichkeit abgelegt und eine andere übergestreift. Auch Hector ist im weißen Kittel, den er aber lässig offen trägt. Als Obermasseur darf er das.
Ollie klemmt Holzkeile zwischen Tür und Türrahmen, zwei unten, zwei an der Seite. Wie immer bei Ollie hat Perry das Gefühl, dass er all dies zum x-ten Mal macht. Hector und Dima stehen sich erstmals gegenüber, hintübergelehnt der eine, der andere nach vorn gebeugt. Hectorim Vormarsch, Dima zurückweichend. Dima könnte ein alter Häftling sein, der sich auf den nächsten Teil seiner Strafe gefasst macht, Hector der Zuchthausdirektor. Dann streckt Hector die Hand aus. Dima schüttelt sie und hält sie mit der Linken fest, während er mit der Rechten in seiner Tasche sucht. Hector reicht den USB -Stick weiter an Ollie, der damit an einen Seitentisch tritt, die Massagetasche aufmacht, einen silbernen Laptop hervorholt, den Deckel hochklappt und den Stick anschließt, alles in einer einzigen Bewegung. In seinem weißen Kittel wirkt Ollie doppelt massig, aber dabei sachkundiger denn je.
Dima und Hector haben bisher kein Wort gewechselt. Sie sind nicht mehr Gefangener und Gefängnisdirektor, dieser Moment ist vorüber. Dima steht wieder hintübergelehnt, Hector vorgebückt. Seine weit offenen grauen Augen blicken stetig und unverwandt, aber auch forschend. Es ist nichts Besitzergreifendes in diesem Blick, nichts Sieghaftes, nichts Auftrumpfendes. Er könnte ein Chirurg sein, der entscheidet, wie er bei der Operation vorgehen wird – wenn er überhaupt operiert.
»Dima?«
»Ja.«
»Ich bin Tom. Ich bin Ihr britischer Apparatschik.«
»Nummer Eins?«
»Nummer Eins lässt Sie grüßen. Ich bin als sein Stellvertreter hier. Das ist Harry« – er deutet auf Ollie. »Wir sprechen Englisch, und der Professor hier achtet auf Fairplay.«
»Okay.«
»Gut, setzen wir uns.«
Sie setzen sich. Auge in Auge. Mit Perry, dem Fairplay-Garanten, auf Dimas Seite.
»Wir haben noch einen Kollegen oben«, fährt Hector fort. »Er sitzt allein in der Bar, vor genau dem gleichen silbernen Laptop wie Harry hier. Er heißt Dick. Er trägt eineBrille und eine rote Parteikrawatte. Wenn Sie den Club nachher verlassen, wird Dick mit seinem silbernen Laptop in der Hand aufstehen, vor Ihnen langsam quer durchs Foyer gehen und dabei einen dunkelblauen Regenmantel anziehen. Bitte prägen Sie sich ihn für die Zukunft ein. Dick hat seine Befugnisse von mir und von Nummer Eins. Verstanden?«
»Ich habe verstanden, Tom.«
»Er spricht Russisch, wenn es verlangt wird. Ich übrigens auch.«
Hector sieht auf seine Uhr, dann zu Ollie. »Ich rechne sieben Minuten, bevor Sie und der Professor wieder nach oben müssen. Dick sagt uns Bescheid, falls Sie früher benötigt werden. Können Sie sich mit diesem Procedere anfreunden?«
» Anfreunden? Sind Sie verrückt oder was?«
Und das Ritual nahm seinen Anfang. Nicht im Traum wäre es Perry eingefallen, dass ein solches Ritual existieren könnte, und doch schien es für keinen der beiden wegzudenken.
Erst Hector: »Sind Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Kontakt mit irgendeinem anderen ausländischen Nach-richtendienst, oder waren Sie es irgendwann früher?«
Darauf Dima: »Schwör ich zu Gott, nein.«
»Auch nicht mit dem russischen?«
»Nein.«
»Gibt es irgendwen in Ihrem Umfeld, der mit einem anderen
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