Verr�ter wie wir
kleinere Gruppen bilden, wenn’s geht. Die sind leichter zu überblicken und schwerer auszumachen.Können Sie die Jungs noch ein bisschen verkleiden?«
»Wie verkleiden?«
»Einfach nur, dass sie ein bisschen verschiedener aussehen. Nicht ganz so eineiig.«
»Sicher.«
»Und schauen Sie, dass Ihr Zug nicht zu leer ist. Verteilen Sie sich möglichst etwas. Nur ein Junge pro Abteil, Sie und die Mädchen in einem anderen. Lassen Sie sich Ihre Zugkarten in Interlaken von Harry kaufen, dann müssen Sie nicht alle am selben Schalter anstehen. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Schon was von Doolittle gehört?«
»Noch zu früh. Sie ist gerade erst los.«
Es war das erste Mal, dass sie direkt auf Gails Alleingang Bezug nahmen.
»Sie handelt goldrichtig. Und sie soll bloß nichts anderes denken. Sagen Sie ihr das.«
»Mach ich.«
»Sie ist ein Glücksfall für uns, und wir können nur hoffen, dass sie genauso viel Glück hat.« Luke spricht in Rätseln. Er hat keine andere Wahl. Dima sitzt gleich hier neben ihm im Auto.
Perry klettert über die Mädchen hinweg, tippt Ollie auf die Schulter und schreit ihm Lukes Anweisungen ins Ohr.
* * *
Katja und Irina futtern ihre Käsebrötchen und Chips und lehnen die Köpfe aneinander, kauend und vor sich hin summend. Ab und zu linsen sie über die Schulter zu Ollies Hut hin und brechen in Gekicher aus. Einmal streckt Katja ganz vorwitzig die Hand danach aus, bekommt dann aber Angst vor der eigenen Courage. Die Jungen spielen Steckschach und mampfen Bananen dazu.
»NächsterHalt Interlaken, Jungs und Mädels!«, ruft Ollie nach hinten. »Ich parke am Bahnhof und setze mich mit Madame und dem Gepäck in den nächsten Zug. Ihr Hübschen bummelt ein bisschen herum, esst eine Wurst und kommt uns dann in aller Ruhe nach. Sind damit alle zufrieden, Professor?«
»Vollauf zufrieden«, bestätigt Perry nach einem Blick auf die Mädchen.
»Überhaupt nicht!«, jault Alexej empört auf und schmeißt sich rückwärts in die Kissen. »Wir sind schiet- unzufrieden! «
»Aus irgendeinem bestimmten Grund?«, erkundigt sich Perry.
»Tausend! Wir fahren nach Kandersteg, ich weiß es doch! Ich geh nicht nach Kandersteg, nie wieder! Ich mag nicht klettern, ich hab keine Saugnäpfe an den Füßen, mir wird schwindlig, und dieser Max kotzt mich eh an!«
»Kalt«, sagt Perry, »eiskalt.«
»Heißt das, wir fahren nicht nach Kandersteg?«
»Heißt es.«
Aber Gail fährt, denkt er mit einem Blick auf die Uhr.
* * *
Um drei hatte Gail, dem flotten Anschlusszug in Spiez sei Dank, das Haus gefunden. Schwer war es nicht gewesen. Sie hatte im Postamt gefragt. Kennt jemand hier einen Skilehrer, der Max heißt, nicht von der offiziellen Schweizer Skischule, sondern privat, Eltern leiten ein Hotel? Die dicke Frau am guichet war sich nicht sicher, deshalb besprach sie sich mit dem dünnen Mann am Sortiertisch, der Bescheid zu wissen meinte, aber sicherheitshalber noch den Jungen fragte, der Pakete in die große gelbe Wanne lud, und die Antwort erfolgte um drei Ecken: Das Hotel Rössli rechts an der Hauptstraße, da arbeitet seine Schwester.
DieHauptstraße flirrte im verfrühten Sommersonnenschein, während die Berge zu beiden Seiten dunstverhangen waren. Eine Familie honiggelber Hunde lag teils hingegossen auf dem heißen Asphalt, teils im Schatten der Ladenmarkisen. Urlauber mit Wanderstöcken und Sonnenhüten studierten die Auslagen der Souvenirläden, und über die Terrasse des Hotels Rössli verstreut saßen Nachmittagsgäste bei Kuchen mit Schlagsahne und hohen, strohhalmgespickten Gläsern voll Eiskaffee.
Eine überarbeitete Rothaarige in Schweizer Tracht war die einzige Bedienung. Als Gail sie ansprach, befahl sie ihr, sich hinzusetzen und zu warten, und statt kurzerhand hinauszurauschen, wie es ihre normale Reaktion gewesen wäre, setzte Gail sich gehorsam an einen Tisch, und als das Mädchen kam, bestellte sie erst einen Kaffee, den sie nicht wollte, und erkundigte sich dann, ob sie zufällig die Schwester von Max, dem berühmten Bergführer, sei, worauf das Mädchen übers ganze Gesicht strahlte und plötzlich alle Zeit der Welt hatte.
»Na, Bergführe r ja noch nicht richtig, nicht offiziell , und berühmt , ich weiß nicht! Erst muss er die Prüfung machen, die ziemlich schwer ist«, sagte sie, stolz auf ihr Englisch und erfreut über die Gelegenheit zum Üben. »Leider hat Max etwas spät angefangen. Vorher wollte er Architekt werden, aber er mochte das Tal nicht verlassen. Er
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