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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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ist ein bisschen ein Traumtänzer, ehrlich gesagt, aber toi, toi, toi, jetzt ist er endlich vernünftig geworden, und nächstes Jahr macht er seinen Abschluss. Hoffen wir. Vielleicht führt er heute gerade eine Tour. Soll ich Barbara anrufen?«
    »Barbara?«
    »Sie ist wirklich sehr nett. Sie hat ihn völlig umgekrempelt, sagen wir immer. Es war aber auch höchste Zeit!«
    Blüemli. Max’ Schwester schrieb es Gail auf eine Doppelseite aus ihrem Block auf.
    »Im Prinzip bedeutet das kleine Blume , aber es kann auch große Blume bedeuten, weil die Schweizer alles verkleinern, was sie gern mögen. Es ist das letzte neue Chalet auf der linken Seite, wenn Sie an der Schule vorbei sind. Barbaras Vater hat es für sie gebaut. Nein, Max hat es wirklich sehr gut getroffen.«
    Das Blüemli war das perfekte Heim für ein junges Glück: frisches Kiefernholz, rote Geranien an den Fenstern, rote Baumwollvorhänge, dazu passend eine rote Kaminkappe und unterm Dachfirst eine handgeschnitzte Inschrift in Fraktur, die Gott für seine Segnungen dankte. Auf dem makellos gemähten Rasenviereck vor dem Haus standen eine neue Schaukel, ein brandneues Plantschbecken und ein neuer Grill, und neben der Tür, die zu einem Zwergenhäuschen hätte gehören können, waren Scheite zu einem blitzsauberen Holzstoß gestapelt.
    Wenn es ein gemaltes Haus gewesen wäre statt eines echten, hätte es Gail auch nicht verwundert, aber sie wunderte sich ohnehin über nichts. Es war nichts Unerwartetes eingetreten, sondern einfach nur der Worst Case , der jedoch auch nicht schlimmer war als all die anderen Möglichkeiten, die sie sich im Zug ausgemalt hatte und immer noch ausmalte, als sie nun den Klingelknopf drückte und eine vergnügte Frauenstimme rufen hörte: »En Momänt bitte, d’Barbara chunt grad!« – woraus sie, auch ohne Deutsch oder Schwyzerdütsch zu können, schloss, dass Barbara gleich kommen würde. Und da kam sie auch schon: groß, gepflegt, sportlich-attraktiv, eine durch und durch angenehme Erscheinung und kaum älter als Gail.
    »Grüessech«, sagte sie und wechselte, als sie Gails entschuldigendes Lächeln sah, etwas atemlos ins Englische: »Hello! Can I help you?«
    Durch die offene Tür hörte Gail vorwurfsvolles Babygegreine. Sie holte tief Luft und lächelte.
    »Hoffentlich. Ich heiße Gail. Sind Sie Barbara?«
    »Ja. Ja, natürlich.«
    »Ichsuche nach einem Mädchen, das Natascha heißt. Groß, schwarze Haare, Russin.«
    »Ach, Russin ist sie? Das wusste ich nicht. Das erklärt es vielleicht. Sind Sie etwa Ärztin?«
    »Leider nicht. Wieso?«
    »Doch, ja, sie ist hier. Ich weiß nicht, warum. Könnten Sie bitte hereinkommen? Ich muss zurück zu Anni. Sie zahnt.«
    Gail folgte ihr ins Haus, das süß und sauber nach gut gepudertem Baby roch. Eine Batterie Filzpantoffeln mit Hasenohren, die schön aufgereiht an Messinghaken hingen, legten ihr nahe, doch bitte die staubigen Straßenschuhe auszuziehen. Barbara wartete, während sie in ein Paar hineinschlüpfte.
    »Wie lange ist sie schon da?«, fragte Gail.
    »Bestimmt eine Stunde. Vielleicht mehr.«
    Gail trat hinter ihr in ein luftiges Wohnzimmer mit einem netten kleinen Garten davor. In der Zimmermitte stand ein Laufstall, und im Laufstall saß ein winziges kleines Mädchen mit goldenen Ringellöckchen und Schnuller im Mund, umgeben von einem Aufmarsch nagelneuer Spielsachen. Und an der Wand saß auf einem Schemel Natascha, mit gesenktem Kopf, das Gesicht von den Haaren verborgen, den Oberkörper über die gefalteten Hände gebeugt.
    »Natascha?«
    Gail kniete sich neben sie und wölbte eine Hand um ihren Hinterkopf. Natascha zuckte, aber sie schüttelte die Hand nicht ab. Gail sagte noch einmal ihren Namen. Keine Reaktion.
    »Das ist wirklich gut, dass Sie hier sind«, schwatzte Barbara in ihrem Schweizer Singsang, während sie Anni hochhob und an ihre Schulter legte, um sie Bäuerchen machen zu lassen. »Ich wollte schon Dr. Stettler anrufen. Oder die Polizei, ich wusste es nicht. Es war ein Problem. Wirklich.«
    Gailstreichelte Nataschas Haar.
    »Sie klingelt an der Tür, ich füttere gerade Anni, nicht mit der Flasche, sondern auf die beste Art. Wir haben jetzt einen Spion in der Tür, heutzutage weiß man ja nie. Ich habe hindurchgeschaut, ich hatte Anni an der Brust, ich habe gedacht, gut, das ist ein normales Mädchen da vor meiner Türe, ziemlich hübsch, das muss ich sagen, sie möchte hereinkommen, ich weiß nicht, warum, vielleicht will sie einen Termin mit Max

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