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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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ihrem Gesicht, lächelte sichtlich bewundernd, verweilte einen Moment bei ihrem Namen in lateinischer und kyrillischer Schreibweise und streckte ihr den Ausweis mit einem unbeschwerten »Hier, bitte schön« wieder hin.
    »Bleiben Sie länger in Wengen?«, erkundigte sich der uniformierte Polizist, als er Gail die Fahrkarten zurückgab.
    »Nur eine Woche wahrscheinlich.«
    »Je nach Wetter, nehme ich an?«
    »Ach, wir Engländer sind so an Regen gewöhnt, dass wir ihn überhaupt nicht bemerken!«
    Und ihr Anschlusszug stehe auf Gleis 2 bereit, Abfahrt in drei Minuten, die letzte Verbindung nach Wengen für heute, also verpassen Sie ihn besser nicht, sonst sitzen Sie in Lauterbrunnen fest, sagte der höfliche Polizist.
    Erst als sie schon mit dem letzten Zug den Berg hinaufzuckelten, öffnete Natascha wieder den Mund. Bis dahin hattesie vor sich hin gebrütet, wütend, so wie es schien; hatte in die schwarze Fensterscheibe gestarrt, sie mit ihrem Atem vollgedampft wie ein Kind und zornig wieder freigewischt. Ob sie allerdings wütend auf Max war, auf den Polizisten und seinen Freund in Grau oder sich selbst, blieb dahingestellt. Aber plötzlich hob sie den Kopf und sah Gail mitten ins Gesicht.
    »Ist Dima kriminell?«
    »Er ist doch ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, oder nicht«, fragte Gail glattzüngig zurück.
    »Müssen wir deshalb nach England? Geht es darum bei dieser Überraschung? Ständig erzählt er uns plötzlich von diesen tollen englischen Schulen, auf die wir sollen.« Und als keine Antwort kam: »Seit Moskau ist unsere ganze Familie total … total kriminell. Frag meine Brüder. Sie sind ganz besessen davon. Sie reden nur noch von Kriminellen. Frag ihren tollen Freund Pjotr, der angeblich für den KGB arbeitet. Den gibt es doch gar nicht mehr. Oder?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Es heißt jetzt FSB . Aber Pjotr sagt immer noch KGB . Vielleicht lügt er also. Pjotr weiß alles über uns. Er hat unsere sämtlichen Akten gesehen. Meine Mutter war kriminell, ihr Mann war kriminell, Tamara war kriminell, ihr Vater ist erschossen worden. Für meine Brüder ist jeder, der aus Perm kommt, ein Krimineller und sonst gar nichts. Vielleicht wollte die Polizei deshalb meinen Pass sehen. ›Bist du aus Perm, bitte schön, Natascha?‹ – ›Ja, Herr Polizist, ich bin aus Perm, ich bin außerdem schwanger.‹ – ›Dann bist du sehr kriminell. Du kannst in kein englisches Internat, du musst sofort mit ins Gefängnis!‹«
    Ihr Kopf lag mittlerweile an Gails Schulter, und der Rest ihres Redeschwalls war auf Russisch.
    * * *
    Dämmerungsenkte sich über die Kornfelder, und auch in dem gemieteten BMW wurde es dämmrig, denn in schweigendem Einvernehmen verzichteten sie auf Beleuchtung, innen wie außen. Luke hatte als Proviant eine Flasche Wodka besorgt, und Dima hatte sie halb leer getrunken, aber Luke gestattete sich nicht einmal, daran zu riechen. Er hatte Dima einen Taschenrecorder angeboten, um damit seine Erinnerungen an Bern aufzuzeichnen, solange sie noch frisch waren, aber Dima hatte nur geschnaubt.
    »Ich weiß alles. Kein Problem. Hab Kopien. Hab mein Gedächtnis. In London, ich erinnere mich an alles. Sagen Sie das Tom!«
    Den ganzen Weg von Bern her hatte Luke nur Nebenstraßen benutzt – war ein Stück gefahren, hatte sich dann eine Stelle gesucht, wo sie warten konnten, während die Verfolger, so sie denn existierten, an ihnen vorbeizogen. Mit seiner rechten Hand stimmte ganz entschieden etwas nicht, er hatte immer noch kein Gefühl darin, aber solange er die Kraft in seinem Arm einsetzte und nicht an die Hand dachte, ging es mit dem Fahren ganz gut. Er musste sie irgendwie verletzt haben, als er dem Philosophenschädel eins übergebraten hatte.
    Sie redeten russisch miteinander, raunend wie zwei Flüchtlinge. Warum flüstern wir?, fragte Luke sich. Aber so war es. Am Rand eines Nadelwaldes hielt Luke erneut an, diesmal, um Dima einen blauen Overall und eine dicke schwarze Skimütze in die Hand zu drücken, unter der er seine Glatze verstecken konnte. Für sich selbst hatte er Jeans, einen Anorak und eine Pudelmütze gekauft. Er legte Dimas Anzug zusammen und verwahrte ihn in einer Reisetasche im Kofferraum des BMW . Es war jetzt acht Uhr abends, und es kühlte empfindlich ab. Kurz vor Wilderswil am Eingang des Lauterbrunnentals hielt er nochmals an, schaltete die Schweizer Nachrichten ein und versuchte dabeiim Halbdunkel in Dimas Gesicht zu lesen, da er selbst ungünstigerweise kein Deutsch

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