Verr�ter wie wir
für die nächsten fünf Minuten, außer dass Irina auf der anderen Seite Katjas Beispiel gefolgt ist und jetzt meine Hand hält. Sie hat richtige kleine Klauen, wie eine Krabbe, und sie krallt sich regelrecht ein. Dann drückt sie meine Hand gegen ihre Stirn und dreht ihr Gesicht hinein, als sollte ich merken, dass sie Fieber hat, nur dass ihre Backen nass sind, und mir wird klar, dass sie weint. Dann gibt sie mir meine Hand zurück, und Katja sagt: ›Sie weint manchmal. Das ist normal.‹ Und damit endet das Match, und Elspeth eilt schon die Stufen herauf, um sie zu holen, und ich bin inzwischen so weit, dass ich Irina am liebsten in meinen Sarong wickeln und sie mit nach Hause nehmen würde und ihre Schwester gleich dazu, aber da das ja nicht geht und ich keine Ahnung habe, was mit ihr ist und wer die beiden überhaupt sind – Vorhang.«
* * *
Nur dass der Vorhang natürlich nicht wirklich fällt. Nicht auf Antigua. Das Stück geht munter weiter. Perry Makepiece und Gail Perkins genießen nach wie vor den glücklichsten Urlaub ihres Lebens, genau wie sie es sich damals im November vorgenommen haben. Um sich ihr Glück ins Gedächtnis zu rufen, spult Gail sich im Stillen die unzensierte Version ab:
Ca. zehn Uhr früh, Tennis vorbei, kommen zurück in unser Häuschen, damit Perry duschen kann.
Sex, wunderbar wie nur je, das haben wir noch nicht verlernt.Perry kann nichts halbherzig machen. Seine Konzentration gilt immer nur einer Sache auf einmal.
Mittag oder später. Verpassen Frühstücksbüfett aus obigen Gründen, schwimmen im Meer, lunchen am Pool, dann wieder zum Strand, weil Perry mich dringend im Boccia schlagen muss.
Ca. sechzehn Uhr. Kommen zurück, Perry als Sieger (warum kann er ein Mädel nicht einmal gewinnen lassen?), dösen, lesen, wieder Sex, dösen noch mehr, verlieren jedes Zeitgefühl. Sitzen im Bademantel auf dem Balkon und machen dem Chardonnay aus der Minibar den Garaus.
Ca. zwanzig Uhr. Fühlen uns zu faul, um uns anzuziehen, bestellen Abendessen aufs Zimmer.
Immer noch der Urlaub unseres Lebens. Immer noch in Eden, die Backen voll mit dem verdammten Apfel.
Ca. einundzwanzig Uhr. Das Abendessen kommt, hereingerollt nicht von einem schnöden Zimmerkellner, sondern von dem ehrwürdigen Ambrose höchstselbst, der uns zusätzlich zu dem kalifornischen Fusel, den wir bestellt haben, eine frostbeschlagene Flasche edelsten Krug-Champagners in einem silbernen Eiskübel bringt, laut Weinkarte 380 Dollar plus Steuern, die er uns feierlich auftischt, zusammen mit zwei frostbeschlagenen Gläsern, einer Platte mit extrem lecker aussehenden Canapés, zwei Damastservietten und einer vorbereiteten Rede, die er mit schallender Stimme vorträgt, den Brustkorb vorgewölbt und die Hände an die Seiten gedrückt wie ein Wachtmeister, der vor Gericht aussagen muss.
»Diese sehr hervorragende Flasche Champagner schickt Ihnen beiden mit seinen besten Empfehlungen der unvergleichliche Mr Dima persönlich. Mr Dima, er möchte Ihnen danken für« – aus seiner Hemdtasche bringt er einen Zettel und eine Lesebrille zum Vorschein –, »er sagt, ich zitiere: ›Professor, ich danke Ihnen aus meinem Herzen für eine sehr ausgezeichnete Stunde in der großen Kunst, Fairplay-Tenniszu spielen und ein englischer Gentleman zu sein. Ich danke Ihnen auch, dass Sie mir fünftausend Dollar Wette gespart haben.‹ Und seine Grüße an die wunderbar schöne Miss Gail, und das ist seine Nachricht.«
Wir trinken ein paar Gläser Champagner und beschließen, dass der Rest mit zu uns ins Bett darf.
* * *
»Was ist eigentlich Kobefleisch?«, fragt mich Perry irgendwann im Lauf einer ereignisreichen Nacht.
»Hast du schon mal einem Mädchen den Bauch massiert?«, frage ich zurück.
»Würde mir nicht im Traum einfallen«, sagt Perry, die Hand auf meinem Bauch.
»Jungfräuliche Kühe«, erkläre ich ihm. »Gemästet mit Sake und feinstem Bier. Koberinder bekommen jeden Abend den Bauch massiert, bis sie reif fürs Schlachthaus sind. Außerdem sind sie geistiges Eigentum erster Güte«, füge ich hinzu, was völlig korrekt ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob er noch zuhört. »Unsere Kanzlei hat sie in einem Prozess vertreten und mit fliegenden Hufen gewonnen.«
Als ich einschlafe, habe ich einen prophetischen Traum, in dem ich in Russland bin und kleine Kinder schlimme Dinge erleiden, Schwarzweißbilder wie aus dem Krieg.
3
So wie sich Gails Himmel verdüstert, verdüstert sich auch das Souterrain. Mit dem
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