Verr�ter wie wir
freihalten zu lassen, nicht wahr, Perry? Und noch dazu von jemandem, den du nicht mal kennst. Also klettert Perry die Leiter hinauf, um Onkel Wanja zu erklären, dass das wirklich ganz reizend von ihm ist, aber er bezahlt seine Rechnungen lieber selbst.«
Der Redeschwall versiegt. Perry übernimmt für sie, ohne diese verzweifelte Munterkeit:
»Ich bin die Leiter hochgestiegen, wo Onkel Wanja auf seinem Gummiring saß. Ich beugte mich unter das Sonnendach, um mein Sprüchlein aufzusagen, und fand mich Auge in Auge mit einer sehr großen schwarzen Pistole, die unter seiner Wampe hervorstand. Er hatte in der Hitze seine Buckskin-Weste aufgeknöpft, und da war sie, dick und fett. Ich kenn mich mit Waffen nicht aus, Gott sei Dank. Habe auch keinerlei Verlangen danach. Bei Ihnen ist das ja sicher anders. Diese war jedenfalls XXL «, sagt er kummervoll, und ein vielsagendes Schweigen tritt ein, in dem er einen wehleidigen Blick zu Gail hinüberschießt, der von ihr nicht erwidert wird.
* * *
»Und Sie hatten nicht das Bedürfnis, einen Kommentar abzugeben, Perry?«, fragt der flinke kleine Luke, stets zur Stelle, wenn es einen Riss zu übertünchen gilt.
»Nein,hatte ich nicht. Ihm schien gar nicht bewusst zu sein, dass ich es gesehen hatte, also hielt ich es für taktisch klüger, nichts bemerkt zu haben. Ich bedankte mich für das Eis, stieg die Leiter wieder hinunter und ging zurück zu unserem Platz, wo Gail sich mit den Mädchen unterhielt.«
Irgendetwas daran gibt Luke anscheinend zu denken. Was setzt ihm so zu? Vielleicht ja die Vertracktheiten der Spionage-Etikette, überlegt Gail spaßhaft. Was mache ich, wenn jemandem, den ich nicht besonders gut kenne, die Knarre aus der Weste hängt? Ihn darauf ansprechen oder darüber hinweggehen? So wie bei einem Fremden, dem der Hosenstall offen steht.
Miss Blaustrumpf beschließt, Luke aus der Patsche zu helfen.
»Auf Englisch , Perry?«, fragt sie streng. »Sie haben ihm auf Englisch gedankt, nehme ich an. Hat er auch auf Englisch geantwortet?«
»Er hat in gar keiner Sprache geantwortet. Aber mir fiel auf, dass er an seiner Weste einen schwarzen Trauer-Anstecker trug, etwas, was ich seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte. Und du wusstest ja nicht mal, dass es so etwas gibt«, fährt er in aggressivem Ton fort.
Verblüfft über seine Vehemenz, schüttelt Gail den Kopf. Richtig, Perry. Schuldig im Sinne der Anklage. Ich wusste nicht, dass es Trauer-Anstecker gibt, und jetzt weiß ich es, also könnten wir doch eigentlich weitermachen im Text.
»Und Ihnen ist nicht in den Sinn gekommen, beispielsweise die Hotelleitung zu verständigen?«, beharrt Luke stur. »›Da auf dem Bademeisterturm sitzt ein Russe mit einer fetten Knarre‹?«
»Mir sind viele Möglichkeiten in den Sinn gekommen, Luke, und das war zweifellos eine davon«, entgegnet Perry, dessen Angriffslust noch keineswegs abgeflaut ist. »Aber was hätte das Hotel denn Ihrer Meinung nach unternehmensollen? Wo doch alles dafür sprach, dass Dima den Laden, wenn er ihm schon nicht gehörte, praktisch in der Tasche hatte? Außerdem mussten wir an die Kinder denken. Uns fragen, ob es richtig von uns wäre, in aller Öffentlichkeit Alarm zu schlagen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es das nicht war.«
»Und sich an die Polizei zu wenden? Das erschien Ihnen keine Möglichkeit?« – Luke wieder.
»Uns blieben noch vier Tage. Die wollten wir uns nicht unbedingt mit irgendwelchen dramatischen Aussagen über Machenschaften verderben, in die die Polizei im Zweifelsfall sowieso bis über beide Ohren verstrickt war.«
»Und war das eine gemeinsame Entscheidung?«
»Es war eine Exekutiventscheidung. Meine. Schließlich konnte ich mich schlecht vor Gail hinstellen und zu ihr sagen: ›Wanja hat eine Pistole im Gürtel stecken, meinst du, wir sollen die Polizei holen?‹ – schon gar nicht vor den Mädchen. Als wir dann allein waren und ich Zeit zum Überlegen gehabt hatte, erzählte ich ihr, was ich gesehen hatte. Wir sprachen alles rational durch, und das war der Entschluss, zu dem wir gelangt sind: nichts unternehmen.«
In einem ungeplanten Aufwallen liebender Solidarität springt Gail ihm mit ihrer Juristensicht bei: »Wanja hätte ja eine einwandfreie lokale Genehmigung zum Führen von Waffen haben können, woher sollte Perry das wissen? Oder er brauchte gar keine Genehmigung. Oder die Polizei hatte ihm die Pistole sogar selbst gegeben. Wir waren nicht unbedingt sattelfest im antiguanischen
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