Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
Vom Netzwerk:
Waffenrecht, stimmt’s, Perry, weder du noch ich.«
    Halb macht sie sich darauf gefasst, dass Yvonne ein rechtliches Gegenargument ins Feld führt, aber die ist zu beschäftigt damit, ihr Exemplar des anstößigen Dokuments in seinem braunen Aktenordner zu konsultieren.
    »Dürfte ich Sie wohl beide bitten, uns diesen Onkel Wanja zu beschreiben?«, fragt sie mit aggressionsfreier Stimme.
    »Pockennarbig « ,antwortet Gail prompt, auch jetzt wieder ganz verblüfft darüber, wie klar ihr alles vor Augen steht. Fünfzig aufwärts. Die Backen durchlöchert wie Bimsstein. Säuferwanst. Sie meint sich zu erinnern, dass er während des Matches verstohlen aus einem Flachmann getrunken hat, aber beschwören kann sie es nicht.
    »Die rechte Hand voller Ringe, an jedem Finger ein paar«, sagt Perry, als die Reihe an ihm ist. »Ergab einen regelrechten Schlagring. Schwarze Haarfransen hinten, wie bei einer Vogelscheuche, aber ich schätze mal, dass er oben am Kopf kahl war und deshalb die Schottenmütze trug. Ziemliche Speckschwarten überall .«
    Und: Ja, Yvonne, das ist er, sind sie sich murmelnd einig, als sie Schläfe an Schläfe auf das großformatige Photo hinabschauen, das sie ihnen hingeschoben hat, und die Spannung spüren, die zwischen ihnen zu knistern beginnt. Ja, das ist Wanja aus Perm, als Zweiter von links sitzt er mit drei anderen fidelen, übergewichtigen Männern in einem Nachtclub, umgeben von Nutten und Luftschlangen und Champagnerflaschen, Silvester 2008 in Gottweißwo.
    * * *
    Gail muss auf die Toilette. Yvonne führt sie die schmale Kellertreppe hinauf in das rätselhaft plüschige Erdgeschoss. Der freundliche Ollie lümmelt, nach wie vor barhäuptig, in einem Ohrensessel, tief versunken in seine Zeitung. Nicht irgendeine Zeitung, denn die Schrift ist kyrillisch. Gail glaubt, Nowaja Gaseta entziffern zu können, aber sie ist sich nicht sicher und hat keine Lust, ihm den Gefallen zu tun und zu fragen. Yvonne wartet draußen, bis Gail fertig ist. Die Toilette ist edel: hübsche kleine Handtücher, duftende Seife und an der teuren Tapete Drucke mit Jorrocks-Jagdszenen. Sie kehren ins Souterrain zurück. Perry sitzt noch immer über seine Hände gebeugt, aber jetztzeigen seine Handflächen nach oben, so dass es wirkt, als wollte er aus beiden gleichzeitig die Zukunft lesen.
    »Also, Gail«, sagt der kleine Luke schneidig. »Sie haben das Wort.«
    Das Wort , Luke? Passen Sie bloß auf, dass kein Schrei draus wird. Der sich schon lange in mir anstaut, wie Ihnen ja eigentlich kaum entgangen sein kann, schließlich beäugen Sie mich durchaus eingehender, als das Agenten-Handbuch für zwischengeschlechtliche Interaktion zwingend vorschreibt.
    * * *
    »Ich hatte einfach keine Ahnung«, beginnt sie, den Blick geradeaus gerichtet, aber mehr zu Yvonne als zu Luke. »Ich bin mit beiden Füßen ins Fettnäpfchen getreten. Ich hätte viel eher schalten müssen. Aber ich hab nicht geschaltet.«
    »Du hast dir absolut nichts vorzuwerfen«, fährt Perry hitzig dazwischen. »Niemand hat dir was gesagt, niemand hat dich in irgendeiner Weise gewarnt. Wenn jemanden eine Schuld trifft, dann Dimas Haufen.«
    So leicht lässt Gail sich nicht trösten. Dieser ziegelgemauerte nächtliche Weinkeller ist der Gerichtssaal, in dem sie das Beweismaterial gegen die Angeklagte zusammenstellt, und die Angeklagte ist sie selbst. Nachmittag am Strand von Antigua also: Gail Perkins liegt bäuchlings unter einem Sonnenschirm und hat ihr Bikinioberteil aufgehakt, neben ihr kauern zwei kleine Mädchen, und auf ihrer anderen Seite räkelt sich Perry mit seinen Schuljungenshorts und dem alten Kassengestell seines toten Vaters, das er zu einer Sonnenbrille in seiner eigenen Dioptrienstärke umgerüstet hat.
    Die Mädchen haben ihre spendierte Eiskrem gegessen und ihren spendierten Fruchtsaft getrunken. Onkel Wanja ausPerm sitzt mit seiner dicken Wumme im Gürtel oben auf der Leiter, und Natascha – bei dem Namen scheut Gail jedes Mal wieder, sie muss auf ihn zuhalten und die Hürde nehmen wie beim Reitunterricht in der Schule –, Natascha also liegt in glanzvoller Isolation am anderen Ende des Strands. Elspeth derweil hat sich in sichere Entfernung zurückgezogen. Vielleicht ahnt sie, was bevorsteht. Im Licht der späteren Erkenntnisse, das sie auszublenden hat, hält Gail dies für äußerst wahrscheinlich.
    Die Mienen der Mädchen haben sich wieder verdüstert, bemerkt sie. Ihre Befürchtung, die beiden könnten ein schlimmes Geheimnis mit sich

Weitere Kostenlose Bücher