Verr�ter wie wir
geräucherter Stör, kübelweise Wodka, brillante halbstündige Trinksprüche in gelalltem Russisch für die Erwachsenen, eine göttliche Geburtstagstorte, heruntergespült mit heilbringenden Wolken von beißendem russischem Zigarettenrauch. Kobefleisch und Kricket im Flutlichtschein, eine lärmende Steelband, der keiner zuhörte, ein Feuerwerk, bei dem keiner hinsah, ein Mitternachtsbad für die Letzten, die noch stehen konnten, und danach heim zu einem Schlummertrunk und einer netten kleinen Runde Manöverkritik.«
* * *
Noch einmal ein Stoß von Yvonnes Hochglanzphotos, jetzt wirklich zum letzten Mal. Wenn Sie bitte alle identifizieren würden, die Sie von den Feierlichkeiten her zu erkennen meinen, sagt Yvonne mechanisch.
Den da und den da, sagt Gail und deutet lustlos.
Und ihn doch auch, oder?, sagt Perry.
Ja, Perry, ihn auch. Noch so ein verdammter Er . Eines Tages werden wir Chancengleichheit für weibliche russische Kriminelle haben.
Schweigen, während Yvonne einen weiteren ihrer sorgfältigen Vermerke schreibt und dann den Stift weglegt. Danke, Gail, Sie haben uns sehr geholfen, sagt Yvonne. Für den spitzen kleinen Luke das Stichwort, um zügig zum Ende zu kommen. Zügigkeit ist Barmherzigkeit.
»Gail, ich glaube, wir sollten Sie heimgehen lassen. Sie sind uns extrem entgegengekommen, Sie waren eine ausgezeichnete Zeugin, und wegen allem anderen können wir uns an Perry halten. Wir sind Ihnen sehr verbunden. Beide. Danke.«
Sie steht an der Tür, nicht sicher, wie sie dorthin gelangt ist. Yvonne steht neben ihr.
»Perry?«
Antwortet er ihr? Sie kann sich an nichts erinnern. Sie steigt die Treppe hinauf, Yvonne, ihre Schließerin, dicht hinter ihr. Oben in der plüschigen, überladenen Diele faltet der massige Ollie mit dem Cockney-Akzent und dem fremdländischen Zungenschlag seine russische Zeitung zusammen, rappelt sich aus seinem Sessel auf und bleibt kurz vor einem antiken Spiegel stehen, um sich mit beiden Händen die Baskenmütze zurechtzurücken.
5
»Und ich soll Sie wirklich nicht bis zur Haustür begleiten, Gail?«, erkundigte sich Ollie und drehte sich in seinem Sitz nach hinten, um sie durch die Trennscheibe seines Taxis ins Auge zu fassen.
»Danke, nicht nötig.«
»Sie sehen aber so aus, als ob Sie es vielleicht doch nötig hätten, Gail. Von hier vorn jedenfalls. Sie sehen angeschlagen aus. Ich könnte Ihnen eine schöne Tasse Tee machen.«
Als ob ich’s nötig habe?
»Nein, danke. Wirklich nicht. Ich muss einfach nur schlafen.«
»Ja, so ein schönes kleines Schläfchen, da geht nichts drüber, hm?«
»Nein. Da geht nichts drüber. Gute Nacht, Ollie. Danke fürs Heimbringen.«
Sie überquerte die Straße und wartete, dass er losfuhr, aber er fuhr nicht.
»Halt, Ihre Handtasche, Schätzchen!«
Tatsächlich! Sie hätte sich ohrfeigen mögen. Aber erst recht hätte sie Ollie ohrfeigen mögen, dass er sie bis zur Haustür kommen ließ, bevor er ihr nachspurtete. Sie dankte ihm noch einmal, murmelte, was für eine Idiotin sie doch sei.
»Nein, sagen Sie das nicht, Gail, ich bin noch viel schlimmer. Ich würde meinen eigenen Kopf vergessen, wenn ich ihnabnehmen könnte. Also, sind Sie sich absolut sicher, Schätzchen?«
Absolut nicht , Schätzchen. Über gar nichts mehr. Nicht darüber, ob du ein Topspion bist oder ein Handlanger. Nicht darüber, warum du eine dicke Brille brauchst, um am helllichten Tag nach Bloomsbury zu fahren, aber keine auf dem Rückweg, wenn es stockfinster ist. Oder kann es sein, dass Spione nur im Dunkeln sehen?
* * *
Die Wohnung, die Gails Vater ihr hinterlassen hatte, erstreckte sich über die obersten beiden Stockwerke eines hübschen weißen viktorianischen Reihenhauses von der Art, wie sie Primrose Hill seinen Reiz verleihen. Noch gehörte sie zur Hälfte Gails fasanenmordendem Aufsteiger-Bruder, aber in rund fünfzig Jahren (sofern ihn der Suff nicht bis dahin ins Grab gebracht hatte und sie und Perry noch zusammen waren, was Gail im Augenblick bezweifelte) würden sie ihn ausbezahlt haben.
Der Hausflur stank nach dem Rinderschmortopf aus dem ersten Stock und hallte wider vom Fernsehlärm und dem Gekeife der übrigen Bewohner. Das Mountainbike, das Perry für seine Wochenendbesuche hier abgestellt hatte, stand wie üblich im Weg, an das Fallrohr gekettet. Eines Tages, predigte sie ihm, würde ein unternehmungslustiger Dieb das Fallrohr ganz einfach mit klauen. Perrys höchstes Glück war es, morgens um sechs nach Hampstead Heath zu radeln
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