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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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und im Höllentempo die Wege entlangzurasen, auf denen Fahrrad fahren verboten war.
    Der Teppich auf den vier schmalen Stiegen, die zu ihrer Wohnung hochführten, bestand nur noch aus ein paar Fädchen, aber der Besitzer der Erdgeschosswohnung sah nicht ein, warum er auch nur einen Penny dafür ausgeben sollte, und die anderen beiden weigerten sich zu zahlen, eheer nicht bezahlt hätte, und von Gail als der hauseigenen Juristin erwarteten sie einen Kompromiss, aber da keine der Parteien einen Millimeter von ihrer Position abrückte, sah es für einen Kompromiss düster aus.
    Heute Nacht allerdings war sie dankbar für das alles – sollten sie nur nach Herzenslust keifen und ihre verdammte Musik spielen, ihr eine saftige Dosis Normalität verpassen, denn sie lechzte nach Normalität! Wenn sie nur endlich aus dem OP -Saal in den Aufwachraum durfte! Wenn man ihr nur endlich sagte: Der Alptraum ist vorbei, Gail, Liebes, es gibt keine säuselnden schottischen Blaustrümpfe mehr, keine kleinwüchsigen Spiokraten mit Eton-Akzent, keine Waisenkinder, bildschönen Nataschas, knarrenschwingenden Onkel, Dimas und Tamaras, und Perry Makepiece, dein gottgesandter Liebster, dieses Unschuldslamm, ist nicht drauf und dran, sich zu opfern, weder auf dem Altar von Orwells verlorenem England noch für seinen hochgeheimen Dienst an diesem England, noch für seine eigene, pervertierte Form puritanischer Eitelkeit.
    Mit leicht zitternden Knien begann sie die Treppe hinaufzusteigen.
    Auf dem ersten winkligen Treppenabsatz wurde das Zittern stärker.
    Nach dem zweiten zitterte sie so heftig, dass sie sich an der Wand abstützen musste, bis ihre Beine sie wieder trugen.
    Und auf dem letzten Stück musste sie sich am Handlauf des Geländers hochziehen, um die Wohnungstür zu erreichen, bevor das Licht ausging.
    Dann stand sie in dem kleinen Flur und lauschte, den Rücken gegen die geschlossene Tür gelehnt, schnupperte nach Alkohol, ungewaschenen Körpern, schalem Zigarettenrauch oder allem zusammen – diesem Geruch, der sie vor ein paar Monaten schon gewarnt hatte, ehe sie noch die Wendeltreppe hinaufgestiegen war, um die Spuren des Einbruchsvorzufinden: das vollgepisste Bett, die aufgeschlitzten Kissen, die obszönen Lippenstiftbotschaften quer über ihrem Spiegel.
    Erst als der Erinnerung zur Gänze Genüge getan war, öffnete sie die Küchentür, hängte ihren Mantel auf, ging ins Bad, pinkelte, goss sich ein gewaltiges Glas Rioja ein, trank einen Riesenschluck ab, schenkte es gleich wieder bis zum Rand voll und balancierte es hinüber ins Wohnzimmer.
    * * *
    Trank dort im Stehen. Von passivem Herumgesitze hatte sie bis an ihr Lebensende genug, besten Dank.
    Stand vor dem unbenutzbaren offenen Kamin, einem pseudo-georgianischen Fertigteil ganz aus Kiefernholz, das einer der Vorbesitzer eingebaut hatte, und starrte auf das schmale Schiebefenster. Keine sechs Stunden war es her, dass Perry durch dieses Fenster auf die Straße hinuntergespäht hatte, den langen Körper so abgewinkelt, dass er vogelhaft und mindestens zweieinhalb Meter groß aussah, während er nach einem ganz gewöhnlichen schwarzen Taxi mit ausgeschaltetem Dachlämpchen ausschaute, dessen Kennzeichen auf 73 enden sollte und dessen Fahrer Ollie hieß.
    Keine Vorhänge an unseren Fenstern, nur Jalousien. Perry, der seine Fenster unverhängt mag, aber sich an Vorhängen beteiligen will, wenn Gail unbedingt welche möchte. Perry, der gegen Zentralheizungen ist und sich doch ständig sorgt, ob Gail es auch schön warm hat. Perry, der ihnen nicht mehr als ein Kind zugesteht, um der Überbevölkerung Rechnung zu tragen, aber im nächsten Atemzug mindestens sechs haben will, und zwar bitte vorgestern. Perry, der sich, kaum dass sie nach ihrem verpatzten Traumurlaub den Fuß auf englischen Boden gesetzt haben, nach Oxford verzieht, sich in seiner Bude vergräbt und für die nächstensechsundfünfzig Stunden nichts mehr von sich hören lässt bis auf vereinzelte kryptische SMS von der Front:
    dokument fast fertig … habe kontakt mit entsprechenden stellen aufgenommen … komme mittag in london an … leg schlüssel bitte unter die matte
    »Es ist ein Spezialteam, hat er gesagt, nicht der gewöhnliche Kader«, informiert er sie, während er die falschen Taxis vorbeifahren sieht.
    »Er?«
    »Adam.«
    »Der Mann, der dich zurückgerufen hat? Dieser Adam?«
    »Ja.«
    »Vor- oder Nachname?«
    »Hat er nicht gesagt, warum auch. Er meinte, solche Fälle werden bei ihnen gesondert

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