Verruchte Begierde: Roman (German Edition)
Persönlichkeit, die sie während ihrer Kindheit entwickelt hatte, die sie zu dem Menschen machten, der sie war.
Damit hatte sie begonnen, als sie nach Breckenridge gekommen war. Und langsam, Tag für Tag, hatte sie dem Puzzle weitere Teile hinzugefügt. Sie hatte die erschreckende Kindheitserfahrung des Verlustes ihrer Mutter, das Leben mit ihrem Vater, ihre Collegezeit, den Anfang ihrer Karriere, die Entwicklung ihrer Freundschaft mit Pinkie, die Begegnung mit Thomas noch einmal durchlebt, sich an möglichst viele besondere Tage ihres gemeinsamen Lebens zurückerinnert, das Grauen seines Todes nochmals durchgemacht, eine Chronologie ihrer Begegnungen mit Hunter McKee erstellt, und langsam, aber sicher, hatten die zahllosen Teile dieses Puzzles ein konkretes Bild geformt.
Inzwischen war es fast komplett. »Wenn es fertig ist, werde ich das Gefühl haben, dass ich mich besser kenne.« Sie hatte den Gedanken nicht laut aussprechen wollen. Eilig sah sie auf. Sicher hielt er sie für eine Närrin. Aber offenbar verstand er diese Form der Eigentherapie, denn er nickte mit dem Kopf. Sie hoffte, er würde sie nicht bitten, ihm genauer zu erklären, was sie damit meinte, und er tat es nicht.
»Du hast Schokolade am Mund«, stellte er stattdessen leise fest.
Sie blickte wie gebannt in seine Augen. Sie verströmten ein herrlich warmes Licht und hüllten ihr gesamtes Wesen, innen wie außen, darin ein. »Ach ja?«
»Uh-huh, hier.«
Er tupfte ihr das Stück Glasur mit der Fingerspitze aus dem Mundwinkel, ließ es auf seiner Zungenspitze schmelzen, und sie war völlig fasziniert und gleichzeitig erregt, weil diese Geste ungeheuer sinnlich war.
Sie starrte noch immer auf seinen Mund, als er ihr die Hände auf die Schultern legte und sie an sich zog.
»Kari?«
Ihre Augen glitten an seinem Gesicht herauf.
»Hm?«
»Als ich dich zum ersten Mal geküsst habe, warst du halb ohnmächtig. Beim zweiten Mal war ich so wütend, dass ich nicht wusste, ob ich dich küssen oder erwürgen sollte. Ich war blind vor Zorn und wusste kaum, was ich da tat.«
Er umfasste zärtlich ihr Gesicht. »Glaubst du, dass wir es uns schuldig sind, uns noch mal zu küssen, wenn wir beide genau wissen, was wir tun?«
9
Sie verharrte völlig reglos. Blinzelte nicht mal. Er nahm seine Brille ab, legte sie auf den Kartentisch und hob erneut seine warmen Hände an ihr Gesicht. Seine Fingerspitzen waren sanft, als er sie über ihre Wangenknochen gleiten ließ, während er mit seinen Daumen über ihre Lippen strich.
Seine Augen waren noch immer geöffnet, ihre Lider aber wurden schwer und fielen flatternd zu. Sein Atem traf auf ihren Mund. Er war feucht und warm und verströmte einen herben Kaffeeduft. Sie hatte das Gefühl, als verginge eine halbe Ewigkeit, bis es endlich zu einer Berührung kam.
Mit geschlossenen Lippen strich er in einem hypnotisierenden Rhythmus über ihren Mund, knabberte sanft daran herum, umfing dann ihre Unterlippe mit den Zähnen und glitt mit seiner Zunge darüber hinweg.
In Karis Kopf explodierten Hunderte von Raketen. Bisher hatte sie gedacht, dass es eine solche Reaktion auf einen Kuss höchstens in Kinofilmen gab. Das Gefühl war ihr vollkommen neu. Entweder die Männer, von denen sie sich bisher hatte küssen lassen, waren alle furchtbar einfallslos, oder sie hatten sich an irgendeinen
Ehrenkodex gebunden gefühlt, der für Hunter offenbar nicht galt.
Hatte sie bisher in Männern immer eher den Wunsch, sie zu beschützen, als ehrliche Leidenschaft geweckt? Hatte sie den Eindruck bei ihnen erweckt, etwas wie Lust wäre ihr fremd? Oder war dieser Teil ihrer Natur jetzt erst zum Leben erwacht? Sie wurde zum ersten Mal wie eine Frau geküsst, und zwar von einem Mann, der sich hervorragend darauf verstand. Hunter machte einen Kuss zu einem unverhohlen sexuellen Paarungsritual.
Er drückte seinen Mund auf ihre Lippen, löste ihn und presste dann erneut. Jedes Mal, wenn ihre Münder sich begegneten, öffnete er seine Lippen etwas weiter, bis am Schluss die feuchte Hitze seiner Mundhöhle deutlich zu spüren war. Sie ging willig darauf ein, öffnete ebenfalls den Mund und sog begierig seine Wärme in sich auf.
Seine Bewegungen waren perfekt getimt und aufeinander abgestimmt. Er legte seinen Kopf ein wenig schräg, saugte sanft an ihrem Mund, bis der mit seinem Mund verschmolz, schob seine Zunge zwischen ihre Zähne, strich mit seinen Händen über ihre Wangen, ihre Arme, ihren Rücken und zog sie in einer warmen, innigen
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