Verruchte Begierde: Roman (German Edition)
waren auf mysteriöse Weise drei Neugeborene von der Entbindungsstation eines Krankenhauses verschwunden. Man ging von Entführungen aus, hatte aber das FBI nicht eingeschaltet,
da kein Lösegeld gefordert worden war. Die Polizei stand noch immer vor einem Rätsel, denn bisher hatte sie nicht die geringste Spur. »Ja, was ist mit ihnen?« Sie griff nach einem Block, um sich Notizen zu machen, falls der Mann ihr wirklich Informationen gab.
»Vielleicht weiß jemand, den ich kenne, darüber Bescheid.«
Nicht jemand, den er kannte, sondern der Anrufer selbst. Wobei sie sich nicht sicher war, ob die Person, mit der sie sprach, wirklich männlich war. Es klang, als hätte sie ein Taschentuch über die Sprechmuschel gelegt. »Und warum haben Sie dann bei mir angerufen? Warum spricht diese Person nicht selbst mit mir?«
»Ich … das kann sie nicht. Sie hat Angst, dass sie dann Schwierigkeiten kriegt.«
Adrenalin rauschte in ihren Adern. Dies könnte die größte Story ihrer Karriere werden. »Würde sie denn mit mir sprechen, wenn ich ihr versichern würde, dass ihre Anonymität gewahrt bleibt?«
»Können Sie das denn?«
»Natürlich. Könnten wir uns irgendwo treffen? Ohne dass es jemand mitbekommt.«
»Sie will nicht ins Fernsehen. Das wäre der reinste Selbstmord. Vielleicht lege ich besser wieder auf. Ich habe es mir anders überlegt.«
»Nein, bitte, warten Sie!«, bat sie ihn aufgeregt. »Wenn Sie … ich meine, die Person, von der Sie sprechen … falls sie irgendwas von diesen Babys weiß, sollte sie das nicht erzählen? Sagen Sie ihr, dass sie mich nur mal treffen soll. Es kann schließlich nicht schaden, darüber zu reden. Es würde ja niemand erfahren.«
Es folgte ein Augenblick der Stille. Offenbar dachte der Anrufer über ihren Vorschlag nach. »Und Sie hätten keine Kamera, keinen Kassettenrekorder, nichts dabei?«
»Nein, versprochen.«
»Also gut«, stimmte er vorsichtig zu. »Kommen Sie in die Tiefgarage für das Krankenhauspersonal. Wissen Sie, wo die ist?«
»Ich werde sie auf alle Fälle finden.« Sie brauchte nicht zu fragen, von welchem Krankenhaus er sprach. Denn das war ihr bereits klar. »Wann?«
»Um neun. Zweites Untergeschoss, Reihe B, der vierte Wagen aus Richtung der nördlichen Einfahrt. Falls Sie nicht alleine sind, wird er wieder fahren.«
»Sagen Sie ihr, ich bin um neun Uhr da.«
Wortlos legte der Anrufer auf, und sie saß während einiger Sekunden reglos da und starrte das Skript in ihren Händen an. Mit einem Mal erschien es ihr fürchterlich banal. Denn jetzt hatte sie eine echte Story, eine Story, mit der sie beweisen könnte, dass Pinkies Vertrauen in sie gerechtfertigt gewesen war.
Sie sprang von ihrem Stuhl, um ihn zu informieren, ehe sie sich eines Besseren besann. Vielleicht ließe er sie ja nicht gehen. Vielleicht täte er den Anruf als die Tat eines Verrückten ab oder schickte den Kollegen, der schon über die Fälle berichtet hatte, hin. Dann wäre alles vermasselt, denn der Informant hatte ihr erklärt, er spräche nur mit ihr.
Vor allem würde Pinkie ganz bestimmt nicht wollen, dass sie allein zu diesem Treffen fuhr. Am besten, sie behielte diese Sache erst einmal für sich. Vielleicht
stellte sich der Anruf ja tatsächlich noch als schlechter Scherz heraus.
Trotzdem hielt sie die Spannung kaum bis neun Uhr aus.
Um neun Uhr fünfzehn lief sie ungeduldig neben ihrem Wagen auf und ab. Um neun Uhr dreißig schalt sie sich, weil sie auf diesen Kerl hereingefallen war. Statt gemütlich zu Hause über das neue Bettzeug nachzudenken, das sie sich kaufen wollte, neues Papier in ihren Küchenschränken auszulegen, von Hunter zu träumen oder irgendetwas anderes Sinnvolles zu tun, brachte sie den Abend in einer verlassenen Tiefgarage zu.
Langsam wurde ihr unheimlich.
Sie drehte sich um, um zu ihrem Wagen zurückzugehen, und wäre beinahe mit dem jungen Mann zusammengestoßen, der im selben Augenblick hinter einem Betonpfeiler hervorgetreten kam. Sie griff sich ans Herz und rang erschreckt nach Luft. Vielleicht hatte ja tatsächlich ein Perverser, der von ihr besessen war, dieses Treffen inszeniert.
»Hi.«
Es war der Anrufer. Er hatte seine Stimme während des Gesprächs verstellt, aber trotzdem erkannte sie sie wieder. »Hallo«, grüßte sie atemlos zurück.
»Ich habe Sie beobachtet, um sicherzugehen, dass Sie alleine sind.«
Sie versuchte zu lächeln, doch sie war noch immer starr vor Schreck. Wie dumm sie doch gewesen war. Niemand wusste, wo sie
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