Verruchte Lady
liebsten weiter gestritten, aber in diesem Augenblick betrat eine junge Dame in einem hochmodischen Kleid und in Begleitung ihres Mädchens den Laden. Sie ging direkt zum Tresen und wartete ungeduldig, bis Mr. Hammond zu ihr herübergeeilt war.
»Ich möchte eine Ausgabe von Der Ritterzug haben«, verkündete die junge Dame in gebieterischem Ton. »All meine Freundinnen haben es gelesen, also muß ich das wohl auch tun.«
»Ich glaube, da werden Sie in Lacey’s Buchladen gehen müssen«, murmelte Mr. Hammond.
»Wie ärgerlich.« Die junge Dame wandte sich an Phoebe und Gabriel, als Mr. Hammond wieder in sein Hinterzimmer ging. Sie bedachte Gabriel mit einem verführerischen Blick unter ihren langen Wimpern hervor. »Haben Sie das Buch gelesen, Sir?«
Gabriel räusperte sich. Er wirkte seltsam unsicher. »Hmmm, ja. Ja, das habe ich.«
»Und wie hat es Ihnen gefallen?« fragte die junge Dame. »Ist es wirklich so gut, wie alle sagen?«
»Nun...« Gabriel blickte Phoebe hilfesuchend an.
Phoebe bemerkte, daß dies das erste Mal war, daß Gabriel sprachlos zu sein schien. Er wurde sogar rot. Sie bedachte die junge Dame mit einem Lächeln und sprang für ihn in die Bresche.
»Ich bin mir sicher, daß Ihnen der Ritterzug gefallen wird«, sagte Phoebe. »Meiner Meinung nach ist es ein vollkommen neuartiger Roman. Er ist voller Abenteuer und Erlebnisse aus der Ritterzeit, und er verläßt sich nicht auf irgendwelche unnatürlichen, gekünstelten Effekte, um seine Wirkung zu erzielen.«
»Ich verstehe.« Die junge Dame sah sie zweifelnd an.
»Der Stil ist wunderbar«, fuhr Phoebe flüssig fort. »Der Roman spricht wirklich das Herz an. Er behandelt das Thema Liebe auf eine sehr erbauliche Art. Vor allem der Held wird Ihnen gefallen. Er ist noch interessanter als einer der Helden von Mrs. Radcliffe.«
Die junge Dame begann zu strahlen. »Noch interessanter als einer der Helden von Mrs. Radcliffe?«
»Ja, wirklich. Ich versichere Ihnen, daß Sie bestimmt nicht enttäuscht sein werden.« Phoebe lächelte und machte eine kurze Pause, ehe sie zum letzten Punkt ihrer Lobeshymne ansetzte. »Wissen Sie, auch Byron hat den Ritterzug gelesen. Er hat das Buch all seinen Freunden empfohlen.«
Die junge Dame riß die Augen auf. »Ich werde sofort zu Lacey’s Buchladen gehen.«
Phoebe lächelte zufrieden. Lacey würde also noch ein Buch los. Wenn sie nicht in einem Raum voller Menschen gestanden hätte, hätte sie sich vergnügt die Hände gerieben.
Vielleicht hatte sie nicht das Talent ihrer Familie für Mathematik und Investitionen geerbt, aber auf jeden Fall besaß sie die
Fähigkeit, einen erfolgreichen Roman aus einem Haufen von Manuskripten herauszufinden.
Es war Pech, daß ihre Familie diese besondere Gabe nicht zu schätzen wußte.
Kapitel 8
Es ist ein vollkommen neuartiger Roman... Er verläßt sich nicht auf irgendwelche unnatürlichen, gekünstelten Effekte, um seine Wirkung zu erzielen... Er behandelt das Thema Liebe auf eine sehr erbauliche Weise.
Phoebes Worte hallten immer noch in Gabriels Kopf, als er am Nachmittag Laceys Buchladen betrat. Es waren vertraute Worte. Tatsächlich waren es beinahe dieselben Worte, die Lacey in seinem Schreiben gebraucht hatte, mit dem er ihm mitgeteilt hatte, daß er den Ritterzug veröffentlichen wollte. Gabriel hatte den Brief mehrere Male gelesen, und die zustimmenden Worte hatten sich in sein Gedächtnis eingegraben.
Seit er Phoebe am Vormittag in Hammonds Buchladen zurückgelassen hatte, hatte sich ein bestimmter Verdacht in ihm geregt. Zuerst war ihm der Gedanke so empörend erschienen, daß er ihn weit von sich gewiesen hatte, aber je mehr er darüber nachdachte, um so klarer wurde ihm, daß alles auf eine eigenartige Weise einen Sinn ergab.
Wenn sein Verdacht stimmte, würde das auf jeden Fall erklären, weshalb Phoebe von Anfang an so gut über ihn Bescheid gewußt hatte. Außerdem hieße es, daß Phoebes Wagemut grenzenlos war.
Der Mann hinter dem Tresen sah ihn neugierig an. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Wo ist Lacey?« donnerte Gabriel. Er war Lacey bereits einmal begegnet, kurz nachdem sie miteinander ins Geschäft ge-kommen waren. Bei der Gelegenheit hatte Gabriel ihm deutlich zu verstehen gegeben, daß er von Lacey erwartete, niemandem zu verraten, wer der Autor des Ritterzuges war.
Der Angestellte blinzelte und hüstelte diskret. »Ich fürchte, Mr. Lacey ist beschäftigt, Mylord.«
»Sie meinen, er ist mal wieder sturzbetrunken?«
»Natürlich
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