Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
bekommt eine Glatze«, bemerkte sie, als sie auf ihn hinabschaute. »Ich wage zu behaupten, dass Ihr schon sehr bald eine vollständige Perücke braucht.«
Er grub seine Finger tief ins Fleisch ihrer Arme. »Sei still!«
Sie fühlte, wie ein irres Kichern in ihrer Kehle aufstieg. »Oder Ihr mögt mich nicht mehr?«
»Oder ich werde dich umbringen«, sagte er tonlos, während er mit einer Hand in seiner Westentasche nach dem Schlüssel für ihre Handfessel suchte.
»Oh, mehr nicht?« Sie lächelte breit. »Dann habe ich ja nichts zu verlieren.« Als er sich über die rostige Handschelle an ihrem Handgelenk beugte, atmete sie tief ein und hob die Scherbe hoch in die Luft.
Ein Blutstropfen fiel von ihrem zerschnittenen Handteller auf seinen Nacken. Er schaute auf. »Was …«
Sie ließ die Scherbe mit aller Macht durch die Luft niedersausen. Er war schnell, konnte aber nicht vermeiden, dass sie ihm einen tiefen Schnitt an der Schulter beibrachte, als er sich wegduckte. »Miststück!« Er presste eine Hand auf die Wunde. Das Blut sickerte darunter hervor, aber Julia war der Verzweiflung nahe, dass sie ihn nicht ernstlich verletzt hatte.
Die Fessel fiel von ihrem Handgelenk, und Julia machte einen Schritt zurück, die Scherbe hoch in der Luft haltend. Ihre Knie gaben nach und sie taumelte. Wie tragisch war es doch, dass ihr jetzt, da sie endlich sowohl den Willen als auch die Waffe hatte, die Kraft fehlte, sie zu benutzen.
Er streckte sie mit einem einzigen Schlag ins Gesicht zu Boden. Seine Kraft war die eines Irren, gnadenlos und ohne Vorsicht.
Sie kämpfte gegen den Schwindel an und stützte sich auf.
Es brauchte nicht mehr als einen weiteren Schlag, um sie wieder zu Boden zu schicken. Sie lag hilflos und mit schwindendem Bewusstsein da, als er sich neben sie kniete. Er lächelte leise, als er ihr die Hände um den Hals legte.
»Also doch! Eine schwache, dumme Frau«, sagte er zornig. »Wäre ich bei deiner Geburt zugegen gewesen, hätte ich dich damals schon ertränkt.«
Sie wehrte sich schwach, aber er ignorierte sie, konzentrierte sich nur darauf, systematisch das Leben aus ihr zu drücken wie ein makaberer Künstler, der aus einem Stück Holz den Tod erschafft.
Ich werde jetzt sterben.
Der Gedanke kam ohne echte Angst. Wut war das einzige Gefühl, das seinen Weg durch ihr umnebeltes Hirn machte. Dieser Mann hatte ihr so viel angetan, ihrer Mutter, den
Liars, den Royal Four … England. Dass er wieder gewinnen sollte - dass er sie töten und dann verschwinden und seine üblen Machenschaften wieder aufnehmen sollte - dieser Gedanke erfüllte sie mit solchem Zorn, dass sie wieder auf ihn einschlug. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie die Scherbe noch immer in der Hand hielt.
Der erste Hieb schnitt ihm mit Leichtigkeit durch die Wange; die rasiermesserscharfe Kante benötigte keinerlei Kraft, um zu verletzen. Er zuckte zusammen, dann schlug er ihre Hand weg.
»Schlampe!« Er wischte sich mit einer Hand das Blut ab, und beugte sich mit erneut angefachtem Zorn über sie. Nicht länger strahlte er diese gespenstische Ruhe aus.
Es war aus mit ihr. Sie wollte ihm nur noch seine Macht nehmen, seine Unauffälligkeit zerstören, die Blase seines Zaubers zum Platzen bringen. Mit einer solchen Fratze würde er sich nirgendwo mehr verstecken können.
Ihr wurde schwarz vor Augen. Keine Zeit mehr. Sie hieb wild auf ihn ein, zerschnitt ihm wieder und wieder das Gesicht - dieses Gesicht, das es ihm erlaubte, so gut und einfach zu lügen.
Er fluchte und versuchte, sie abzuwehren, wagte aber nicht, ihren Hals so lange loszulassen, dass sie Luft holen konnte. Das Blut floss in Strömen aus seinen Wunden. Bemerkte er überhaupt, wie sehr sie ihn mit ihren schwachen Hieben verletzt hatte?
Sie hätte gelacht, wenn sie die Luft dazu gehabt hätte, denn seine Tarnung war dahin … zerfetzt … die Narben würden sein Gesicht durchziehen wie Furchen einen Acker … zerstört … endlich auch äußerlich ein Monster …
Ihre Hände fielen an ihre Seite. Sie hatte sie nicht mehr unter Kontrolle. Sie fühlte nichts mehr, nicht einmal den Schmerz in ihrer Kehle. Er beugte sich über sie, schüttelte ihren schlaffen Körper, als er sie würgte. Sein zerschnittenes,
blutiges Gesicht schwand aus ihrem Blick, seine zornigen Augen - ihren eigenen so ähnlich - verschwanden in einem gnädigen Nebel.
Sterben … so leid, Aldus … Marcus … mein Liebster … vermisse dich … schon jetzt …
Das Geräusch donnernder Schritte
Weitere Kostenlose Bücher