Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
inoffiziell mit einem anderen Mann verlobt war! -, und ein wacher Geist, wie er von allen Mitgliedern der Vier erwartet wurde.
Sie arbeitete so hart wie ihre Dienstboten und doch kam kein Laut der Klage über ihre Lippen. Sie verlor nie ihre gute Laune und behielt dabei doch die Kontrolle über die Menschen, für die sie verantwortlich war. Sie war gewitzt und nachdenklich, sammelte erst alle Fakten, bevor sie eine Entscheidung traf.
Und sie war die schönste und sinnlichste Frau, der er jemals begegnet war.
Wahrlich eine Frau, die die Götter in Versuchung zu führen vermochte.
Und ja, er war versucht. Versucht, für sich selbst um sie zu werben, sie zu seiner Frau zu machen, sie für immer an sich zu binden.
Und versucht, sie den Fuchs sein zu lassen, neugierig, wohin sie die Vier und die Nation führen würde, interessiert zu sehen, wie sie Liverpools Einwände mit der scharfen Klinge ihres wachen Geistes einfach niedermähte.
Aber wie stand es mit der Gefahr? Mit dem Preis, den sie als Frau dafür zahlen musste? Warum sollte sie sich diesen Entbehrungen und Mühen unterziehen, wenn sie doch eigentlich beschützt werden sollte und vor all dem bewahrt?
Er musste eine Entscheidung treffen. Die Verführung vollenden oder aufgeben. Er wusste, dass er sich in ihr Vertrauen schleichen konnte - er kannte jede einzelne Seite ihrer Tagebücher. Er kannte den einen absolut sicheren Weg, all ihre Träume wahr werden zu lassen.
Das Problem war nur: Konnte er ihr das antun? Er musste es nicht tun. In diesem Augenblick könnte er kehrtmachen und das Weite suchen.
Aber das würde bedeuten, sie für immer zu verlassen.
Julia konnte nicht anders, sie beobachtete die Zeiger der Uhr, während sie auf Marcus’ Rückkehr wartete. Nach ihrem Abschied von Elliot hatte sie Marcus erzählt, was sie getan hatte.
Er hatte nachdenklich genickt und dann gesagt, er wolle sich noch richtig von Elliot verabschieden, woraufhin Julia mit hochgezogener Augenbraue sagte: »Ihr meint, Ihr wollt sichergehen, dass er auch wirklich verschwindet.«
Das hatte ihr einen kurzen, glutheißen Blick eingebracht. »Ganz recht«, hatte er mit belegter Stimme geantwortet. »Denn ich wäre nicht so gehorsam.«
Mit dieser Antwort, die ihre Nerven schier zerrüttete - o Gott, jetzt war sie wirklich in Schwierigkeiten! -, war er davongeritten, um seinen Rivalen mit gebotener Höflichkeit aus der Gegend zu jagen.
Männer und ihr Revier.
Vor langer Zeit schon hatte Julia eines über Männer gelernt: Sie gehörten nicht zu den Menschen, die darüber nachdachten, warum sie darüber nachdachten, was sie gerade dachten. Eine Frau mochte sich Gedanken darüber machen, warum ihr Verstand sich mit einer bestimmten Fragestellung befasste, aber ein Mann war eine einfachere Kreatur. Er dachte seinen Gedanken und dann machte er weiter.
Nachdem sie das erst einmal verstanden hatte, war es Julia sehr viel leichter gefallen, »wie ein Mann zu denken«, wie Aldus sie so oft instruiert hatte. Der männliche Verstand beschäftigte sich nicht mit tangentialen Gedankengängen und deshalb tat sie es auch nicht - zumindest nicht, solange sie arbeitete.
Erst nach einem langen Tag, an dem sie Berichte der Geheimdienste und Protokolle der Sitzungen des Oberhauses studiert hatte - eines Gremiums übrigens, das sie niemals selbst zu Gesicht bekommen würde, das stand fest, auch
wenn sie ihrer aller Leben in ihren Frauenhänden hielt -, und auch die Zeitschriften durchgegangen war, selbst die anzüglichen, denn man konnte nie wissen, woher das nächste Informationsfitzelchen kommen würde, erst dann hatte Julia Zeit, sich als Frau zu fühlen. Aber es gab kein Schwelgen in verträumten Ideen über die Liebe und das Leben und das Lieben …
Wann hatte sie eigentlich zum letzten Mal in ihr Tagebuch geschrieben? In der Nacht, als Aldus seinen ersten Infarkt hatte?
Drei Jahre war das her. Ihre geheimen Phantasien lagen seit drei Jahren im Staub …
Oder? Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Der Einbrecher.
Oder … noch schlimmer: Marcus.
Nein, das konnte nicht sein, und doch schien er immer Bescheid zu wissen, im Garten, im See - o Gott! Hatte sie nicht einmal eine Szene im See beschrieben?
Sie sprang auf und rannte so schnell den Flur hinunter, dass der Luftzug, der durch ihren wehenden Überwurf verursacht wurde, die Kerzen in ihren Wandhalterungen flackern ließ. Sie ignorierte die springenden Schatten und rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter, wobei
Weitere Kostenlose Bücher