Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
aufgewachsen sein konnten, wurde so die Spannung erhöht und die Freude, wieder zusammen zu sein, verstärkt.
Sie konnte es ihm nicht sagen, und sie ertrug es nicht, ihren Freunden die Situation zu erklären, also erlaubte sie John, ihn von ihr wegzuziehen und mit Aufgaben zu überhäufen. Die Trennung machte ihr nichts aus, denn es gab keinen Flecken im Lager, wo sie ihn nicht binnen weniger Minuten finden würde. Und sie konnte seine Nähe spüren wie das Lagerfeuer auf ihrer Haut, während sie die Aufgaben erledigte, die ihr aufgetragen wurden.
Petunia beobachtete sie mit einer Mischung aus Freude und Sorge, denn im Gegensatz zu ihrem Mann erkannte sie, dass ein Mann wie Lord Dryden niemals bleiben würde. Julia lächelte ihrer alten Freundin zu und schüttelte den Kopf. »Lass sie spielen. Er kann einen Tag auf dem Jahrmarkt gebrauchen.«
Julia schlenderte durchs Lager. Sie war auf der Suche nach Marcus. Sie hatte ihn den ganzen Morgen über immer wieder kurz gesehen, während ihm eine schmutzige Aufgabe nach der anderen aufgetragen wurde.
Ohne dass sie ihnen auch nur ein Wort gesagt hätte, hatten die Zirkusleute Marcus mit Gelächter und wohlmeinendem Spott aufgenommen. Sie redeten ihn sehr förmlich an, während sie ihm andererseits die schlimmsten Aufgaben übertrugen.
»Bitte, Mylord, hier ist ein Nachttopf, der geleert werden muss. Wenn ich also darum bitten dürfte?«
»Vielen Dank, Mylord. Hier muss die neue Latrinengrube ausgehoben werden, Mylord.«
Die ganze Zeit über behielt Julia ihn aus der Entfernung im Auge. Sie beobachtete, wie er von erschrecktem Entsetzen über ruhige Gelassenheit zu fröhlicher Heiterkeit fand, während seine Aufgaben immer abschreckender wurden.
Dann war sie an die Reihe gekommen. Jetzt hatte sie vor lauter Arbeit keine Zeit zum Nachdenken. Aber genug war genug, entschied Julia. Sie sehnte sich sowieso danach, wieder mit Marcus zusammen zu sein.
Wenn sie ihn nur finden würde.
Sie entdeckte ihn schließlich in Sebastians Gehege.
Er saß mit dem Rücken ans Wagenrad gelehnt. Seine Mütze hatte er sich in die Stirn gezogen. Er sah entspannt aus, ja, fast als würde er ein Nickerchen machen. Julia hielt den Atem an und fragte sich, ob ihm wohl bewusst war, dass Sebastian seinen großen, schweren Kopf auf Marcus’ Schoß liegen hatte und sich wie ein riesiger, goldener Hund an seiner Seite streckte.
Dann sah sie, wie Marcus träge die Hand hob und sie in Sebastians Mähne vergrub, wo er anfing, genau die richtige Stelle hinter dem Ohr der Raubkatze zu kraulen.
Meine Jungs.
Marcus gähnte. Sebastian tat es ihm augenblicklich nach, in seiner ganzen Größe. Julia schüttelte nachsichtig den Kopf. »Faulpelze, alle beide«, flüsterte sie.
Sie ging zu ihrem Wagen zurück und fing an, Kartoffeln für ein sättigendes Lageressen zu schälen. Nach der zwölften Kartoffel hielt sie inne und schaute auf ihre Hände hinab; was für ein Unterschied zu letzter Woche! Lady Barrowby war von ihr abgefallen wie ein lästiges Kleidungsstück und hatte einen völlig anderen Menschen zurückgelassen.
Sie war Jilly, und doch war sie viel mehr als Jilly mit ihrer einfachen Sprache und ihren geheimen Ängsten. Sie war auch mehr als die folgsame Julia, auch wenn sie Aldus noch so sehr geliebt und verehrt hatte.
Es kam ihr vor, als wäre sie ein Destillat aus Jilly und Julia, eine neue, reinere Person und nicht einfach eine Mischung der beiden. Sie hatte sich nie zuvor stärker gefühlt oder mehr mit sich im Reinen als jetzt, da sie im Schneidersitz vor ihrem Wagen saß und Kartoffeln für Lord Drydens Abendessen schälte.
Es war zu dumm, dass sie nicht mehr der Fuchs war, denn sie hatte das Gefühl, sie könnte dessen Pflichten jetzt besser erfüllen denn je.
Sie lächelte und machte sich wieder an die Arbeit. Obschon sie wahrscheinlich kaum dem Verlangen widerstehen könnte, Lord Liverpool hin und wieder in die Suppe zu spucken. »Oje«, murmelte sie vor sich hin. »Was für eine Tranfunzel.« Ein wenig Vulgarität hin und wieder erwies sich als gut für ihre Seele.
»Wer ist eine Tranfunzel?«
Sie sah auf. Marcus lehnte an der Längsseite des Wagens und lächelte sie an.
Sie hob die Augenbrauen und schürzte die Lippen. »Habt ihr Jungs euer Nickerchen genossen?«
Er schnaubte und rieb sich ertappt den Nacken. »Unter seinem ganzen Fell ist Sebastian gar nicht so übel.«
»Tatsächlich?« Sie warf ihm ein Handtuch zu. »Wasch den Löwen von dir ab. Ich liebe
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