Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
Fälle nach ihm gesucht.
Jetzt wagte sie es nicht, die Sache noch länger liegen zu lassen. Wenn er nicht tot war, wie konnte er dann überlebt haben? Wie konnte er für immer so jung bleiben, so mächtig?
Sie musste es mit Bestimmtheit wissen, deshalb machte sie sich auf den Weg zu dem Künstler, jener Person, von der die Zeichnung stammte, jemand, der in engem Kontakt zu dem Kammerdiener namens Denny gestanden hatte.
Sie konnte niemanden an ihrer Stelle schicken, denn sie konnte das Risiko nicht eingehen, dass einer ihrer Freunde gefangen genommen würde; und sie musste Marcus so weit aus dieser Sache herauslassen, wie irgend möglich … jetzt noch. Sie fürchtete sich davor, den unvermeidlichen Ekel in seinen Augen zu sehen.
Auf ihrem Weg nach Mayfair passierte nichts.
Sie kaufte einem Küchenmädchen einen schmuddeligen Korb ab, der mit einem Tuch abgedeckt war - die Magd war überglücklich über Julias Bezahlung. Aus diesem Korb, einem humpelnden Gang und einer brüchigen Stimme bestand ihre Tarnung. Mehr brauchte sie nicht.
Sie klopfte am Haupteingang von Etheridge House. Ein grauhaariger Mann mit soldatischem Benehmen öffnete die Tür. Der Sergeant, natürlich. Seine Augen verengten sich augenblicklich. »Was ist Euer Begehr, Madam?«
Julia streckte ihm den Korb entgegen. »Gehört das Kätzchen hier vielleicht der Lady, Sir?« Sie stellte sicher, dass ihre brüchige Stimme auch im Haus zu hören war. »Ich hab es draußen gefunden, es ist ziemlich schwer verletzt.«
»Oh, wie schade«, sagte der Sergeant ohne Überzeugung. »Aber diese Dinge passieren.« Er wollte die Tür vor Julias Nase wieder schließen.
»Marmalade?« Die Stimme einer Frau erklang hinter dem Butler und ein hübsches Gesicht erschien an seiner Seite, sorgenvolle Falten auf der Stirn. »Oder ist es eins der Kätzchen? Ach, ist ja egal - kommt herein, bitte.«
Die kleine, stämmige Lady Etheridge schob den Butler beiseite. »Ihr werdet meine kleinen Schätzchen so schnell nicht los, Sergeant.« Sie zog Julia in den nächstgelegenen Salon, wo ein Kaminfeuer fröhlich gegen die Kälte draußen ankämpfte. Lady Etheridge nahm den Korb und kniete sich vor den Kamin, um das Tuch wegzuziehen.
Als sie nichts als einen in Lumpen gewickelten Stein darin fand, drehte sich Lady Etheridge, einst Clara Simpson, anonyme politische Cartoon-Zeichnerin und jetzt Ehefrau eines der mächtigsten und gefährlichsten Männer Englands, um - und schaute in den Lauf einer auf sie gerichteten Pistole.
Claras Blick schoss zur Tür. Julia schüttelte rasch den Kopf. »Ich habe sie abgesperrt. Der Sergeant schien mir nicht warten zu wollen.«
»Er mag keine Katzen«, sagte Lady Etheridge schwach. Sie richtete sich langsam auf, die Hände schützend auf ihren Bauch gepresst. Ihr Gesicht war aschfahl.
Julia meinte, sich übergeben zu müssen. Sie hätte daran
denken müssen, dass Lady Etheridge in froher Erwartung war. Jetzt fühlte sie sich doppelt schuldig, dass sie die Frau mit ihrer ungeladenen Pistole erschreckte. Sie senkte den Lauf der Waffe ein wenig. »Ich will Euch kein Leid antun, Mylady. Ich brauche nur ein paar Informationen, das ist alles.«
»Daran zweifle ich nicht.« Clara hob das Kinn. »Ich werde Frankreich nicht unterstützen, was es auch koste.«
Julia seufzte. »Das werde ich auch nicht, Mylady.« Sie schob sich die Kapuze vom Kopf. »Bitte hört jetzt auf mit Eurer dummen Tapferkeit und hört mir zu. Ich muss mehr über das Phantom erfahren.«
Clara riss die Augen auf. Ihre Finger zuckten. »Ihr seid ziemlich hübsch. Habt Ihr Euch je malen lassen?«
Julia schnaubte. »Nur ein Künstler kann in einer solchen Situation an so etwas denken!«
Clara machte eine abwiegelnde Handbewegung. »Da Ihr mich noch nicht erschossen habt, werdet Ihr das meiner Erfahrung nach wahrscheinlich auch nicht mehr tun.« Sie presste sich die andere Hand in den Rücken. »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich mich setze?«
»Wenn Ihr so sehr daran gewöhnt seid, dass jemand eine Pistole auf Euch richtet, dann bitte.« Julia steckte amüsiert ihre nutzlose Waffe in die Tasche.
»Lady Barrowby …«
Julia zuckte zusammen. Clara lächelte leicht. »Ich sah eine Skizze von Euch, einer meiner besten Schüler hat sie gemacht. Ihr werdet niemanden umbringen, Lady Barrowby, außer vielleicht diesen Idioten Liverpool.« Claras Augen leuchteten auf. »Oder habt Ihr das vielleicht vor?«
Julia lachte kurz auf. Es klang ein wenig deprimiert. »Ich will niemandes
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