Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
gesehen hatte.
Er hatte alles falsch gemacht. Er hatte den Blick fürs Wesentliche verloren, hatte sein Ziel aus den Augen verloren, hatte sich selbst in ihrer Schönheit und ihrer Wärme verloren …
Und doch war er jetzt hier. Der Fuchs. Er hatte gewonnen.
Sein Blick fiel auf sein Bild in dem großen Spiegel, der die Eingangshalle dominierte. Selbst im schwachen Licht der Halle sah er aus wie ein Lord.
Er wandte sich ab. Lügner.
Ja, er hatte gelogen. Er hatte die Drei belogen, als er ihnen nicht sofort gesagt hatte, wie Julia zu finden war. Er hatte Julia belogen, als er vorgegeben hatte, dass alles an jenem einen perfekten Tag in Ordnung war. Er hatte sich selbst belogen, als er so getan hatte, dass er sie danach einfach so verlassen könnte.
Sie hatte es gewusst. Sie hatte ihre ganze Liebe in diesen einen Tag mit ihm gesteckt, dann hatte sie für ihn entschieden. Und ihn vor sich selbst gerettet.
Wieder.
Würde sie nicht einen erstaunlichen Fuchs abgeben?
Er warf seinen Hut auf ein Seitentischchen und fuhr sich mit der Hand durch das feuchte Haar. »Halt die Klappe!«, flüsterte er.
Was geschehen war, war geschehen. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Und wer konnte ihr vorhalten, dass sie ein Leben auf der Straße einem Leben in seinen Händen vorzog?
Wann hatte er ihr je einen Grund gegeben, ihm zu vertrauen?
Und doch traute sie ihm zu, der Fuchs zu sein.
Unter dem See.
Nebel hatte über dem See gelegen, als Marcus angekommen war. Er mochte den Gedanken nicht besonders, auf der Suche nach den Unterlagen des Fuchses dort hineinzuspringen.
Unter dem See? Vielleicht hatte John Wald ihre Botschaft falsch übermittelt. Es ergab einfach keinen Sinn. Obschon es ein hervorragendes Versteck wäre, etwas im See zu versenken - wie sollte man es richtig konservieren? Und dann musste man doch auch ständig die Akten konsultieren …
John musste Julias Worte missverstanden haben. Was Marcus mit leeren Händen zurückließ.
Es gab zu viel, worüber er nachdenken musste - es war zu spät in der Nacht - und er hatte zu großen Liebeskummer, als dass es ihn kümmerte …
Er richtete sich gerade auf und blinzelte. Er hatte Verpflichtungen, denen er nachkommen musste. Er musste die Unterlagen des Fuchses finden, dann würde er sich auf den Weg nach Ravencliff machen. Eine schwierige Aufgabe lag vor ihm. Noch nie hatte ein Mann einen Sitz übernommen, ohne vorher über Jahre von seinem Vorgänger eingewiesen worden zu sein.
Marcus’ Landsitz im Moor lag einsam. Er würde sich an die vernachlässigten Angelegenheiten des Besitzes machen und die Stille nutzen, um sich in all das zu vertiefen, was er an der Seite des Fuchses nicht gelernt hatte.
An Julias Seite.
Julia war in Wirklichkeit der Fuchs gewesen. Mit all ihren Fähigkeiten und ihrer Intelligenz war Julia viel, viel mehr gewesen als der Irrtum eines alten Mannes.
Oder das schlechte Gewissen eines jungen Mannes …
Bis ans Ende seines Lebens.
22. Kapitel
W enn ich meinen Liebsten verlasse, erlaube ich mir nie zurückzusehen. Vielleicht fürchte ich, er könnte überhaupt nicht da sein.
Julia warf sich ihren neuen ausgeliehenen - und viel zu kurzen - Wollmantel über.
»Seid Ihr Euch sicher, dass ich nicht nach etwas …«, Clara runzelte die Stirn. »… etwas Passenderem suchen sollte?«
Julias Mundwinkel zuckten, als sie auf das Kleid und die Stiefel hinabschaute, die Clara von einer ihrer größeren Hausmädchen bekommen hatte. »Ich denke, das ist absolut passend für mich.« Sie grinste Clara kurz an. »Ich ziehe es bei weitem einem Nonnenhabit vor.«
Clara schnaubte. »Wer würde das nicht? Das sieht Liverpool mal wieder ähnlich: Eine Frau ist mit dem ihr zugewiesenen Platz in der Welt nicht einverstanden und er kann nur daran denken, sie irgendwo einzusperren!«
Julia schüttelte den Kopf. »Er hat nichts gegen Frauen, Clara. Er hat etwas gegen Veränderungen - und das macht ihn viel gefährlicher.«
Clara kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, Sir Thorogood wird etwas über das Wegsperren von Frauen zu sagen haben.«
Julia richtete sich auf. »Clara, es juckt Euch wohl schon wieder in den Fingern.«
Clara lächelte, und es war kein nettes Lächeln. »Wisst Ihr, ich kann selbst ziemlich gefährlich sein.«
Julia drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Nein. Keine politischen Cartoons über mich oder mein Schicksal. Ihr dürft gegenüber den Vieren niemals den Verdacht aufkommen lassen, als wüsstet Ihr alles über mich, was Ihr
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