Verrückt nach Emma
nervös. Es war kaum zum Aushalten. Am liebsten hätte ich Tim und Lea am Kragen gepackt und einmal kräftig durchgeschüttelt, damit sie wieder normal wurden. Aber wahrscheinlich hätte das auch nichts genützt.
Ich räusperte mich und erklärte so energisch wie möglich: »Lea und ich müssen jetzt Mathe lernen.«
Tim machte ein erleichtertes Gesicht. »Ja, klar. Ich geh dann mal rein.«
Kaum hatte er sich umgedreht, erlosch Leas Lächeln wie eine durchgebrannte Glühbirne. Sie starrte düster vor sich hin, auch als Tim schon längst im Haus verschwunden war. Ein unangenehmes Schweigen entstand.
»Vielleicht sollten wir mit Aufgabe 5 a anfangen«, schlug ich schließlich vor.
Lea reagierte erst ein paar Sekunden später. »Was meinst du?« Sie blinzelte verwirrt, so als wäre sie gerade aus einem tiefen Traum erwacht.
»Die Hausaufgaben!«, erinnerte ich sie und hielt ihr das Mathebuch hin.
»Ach ja, richtig.« Lea schien mit ihren Gedanken kilometerweit weg zu sein.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Klar.« Lea nickte, aber sie war ziemlich blass. »Ich glaube, wir müssen ein andermal weitermachen. Mir ist gerade eingefallen, dass ich dringend nach Hause muss.«
»Ach so, verstehe«, sagte ich. Dabei verstand ich überhaupt nichts.
»Also bis morgen.« Lea sprang von der Schaukel, schnappte sich ihr Fahrrad und war verschwunden, bevor ich auch nur piep sagen konnte. Ich sah ihr verdutzt nach.
»Was war das denn jetzt?«, fragte ich eine Amsel, die vor mir auf dem Rasen nach Regenwürmern suchte. Aber die Amsel antwortete nicht.
Seufzend beugte ich mich über mein Mathebuch. Mona war beleidigt, Tim durcheinander und Lea total neben der Spur. Nur die Mathehausaufgaben und ich waren noch übrig geblieben.
»Toller Nachmittag«, murmelte ich.
Die Amsel hüpfte ungerührt weiter über den Rasen. Dann breitete sie ihre Flügel aus und flog davon.
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7 . Kapitel
Flohmarkt-Vorbereitungen
A m Samstag besuchte ich Rudi in seiner WG . Rudi ist mein Vater. Manchmal nenne ich ihn beim Vornamen, weil ich weiß, dass er das mag. Ich glaube, dann fühlt er sich jünger. Seit einiger Zeit wohnt er in einer Wohngemeinschaft in Dederstadt. Ich mag seine WG . Dort ist immer etwas los. Ich glaube, wenn ich groß bin, ziehe ich auch in eine WG . Obwohl – eigentlich wohne ich ja schon in einer. Schließlich sind Mama, Gesa, Oma, Klaus, Tim, Mona, Paul und ich auch so eine Art Wohngemeinschaft.
»Hast du zufällig noch irgendwelche Sachen, die du nicht mehr brauchst, Rudi?«, fragte ich. »Ich will morgen zum Flohmarkt und alten Kram verkaufen.« Ich saß im Schneidersitz auf einem der speckigen Sessel in der Wohnküche und sah Papa beim Teekochen zu.
»Alte Sachen?« Papa überlegte, während er heißes Wasser in zwei Becher goss. »Nee, nicht wirklich.«
»Schade.« Ich nahm den Becher mit Pfefferminztee in Empfang, den Papa mir reichte.
»Aber ich könnte dir ein paar ausrangierte Skizzen raussuchen«, schlug er vor. »Wenn du meinst, dass sich so was verkauft …«
Meine Miene hellte sich auf. »Na klar! Skizzen von einem echten Künstler – das finden die Leute bestimmt toll!«
Papa lächelte geschmeichelt. Noch lieber als bei seinem Vornamen wird er ein Künstler genannt. Das ist nämlich sein Beruf – eigentlich. Leider verdient er mit seinen Bildern nicht besonders viel. Sie sind echt schön, aber dummerweise will sie kein Mensch kaufen. Darum illustriert Papa die meiste Zeit Bücher. Schulbücher, Kochbücher und manchmal auch Kinderbücher. Aber ich glaube, so richtig viel Spaß macht ihm das nicht.
»Ich such dir gleich mal was Passendes heraus.« Papa stellte seinen Becher auf die Spüle und verschwand in seinem Zimmer.
Ich nippte an meinem Tee und schaute durch die geöffnete Küchentür auf den Flur. Aus Daniels Zimmer drang Heavy-Metal-Musik. Daniel ist ein Jahr älter als ich und geht in Monas Klasse. Er und seine Mutter Carolin wohnen auch in der WG . Plötzlich öffnete sich Daniels Zimmertür, und er erschien auf dem Flur. Er trug sein Lieblings-T-Shirt, das mit dem Totenkopf drauf. Daniel tut gerne so, als wäre er ein total harter Kerl, dabei ist er eigentlich ziemlich nett. Und er kann gut kochen.
Als er mich sah, fuhr er sich verlegen durch die Haare und grinste schief.
Ich schluckte. Mein Hals war plötzlich ganz trocken. Ich musste daran denken, wie Daniel mir vor einiger Zeit eröffnet hatte, dass er in mich verliebt ist. Mitten in der Pausenhalle! Vor Schreck
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