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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Du siehst die Dinge nur aus deiner engen, männlichen Sicht. Du machst aus allem etwas, das mit Sex zu tun hat, und darum geht es in diesem Fall überhaupt nicht… Es ist etwas Seltenes und Schönes.«
    Diesem Gedanken hing sie einen Augenblick lang nach.
    »Und dann die Vorstellung«, fügte sie hinzu, »daß du all diese schmutzigen Gedanken über mich denkst, wo ich doch nichts als Liebe für dich in mir habe… Liebe und Dankbarkeit… weil ich dir doch alles verdanke. Ich war nichts, bloß ein dummes Kind, und du hast etwas aus mir gemacht. Du bist für mich beinah ein Gott – weißt du das? Glaubst du mir das?«

    Es war sehr spät, als sie nach Hause kamen, und Vanya war offenbar bereits schlafen gegangen. Als sie das Licht anschalteten, waren sie überrascht über die Veränderung, die in ihrer Abwesenheit stattgefunden hatte. Der Staub war
    verschwunden, die Böden waren gewischt, die Möbel
    ordentlich hingestellt worden. Auf dem Tisch im mittleren Zimmer lag ein Stück Stoff, und mitten darauf stand eine Vase mit Gardenien. Sie bemerkten auch, daß die Glühbirne über dem Tisch einen Schirm bekommen hatte, eines von diesen Pergament-Dingern, die mit einer alten Weltkarte bedruckt sind.
    »Siehst du?« rief Hildred. »Siehst du, wie rücksichtsvoll sie sein kann?« Sie ging durch die Zimmer, sah sich aufmerksam um und murmelte dabei ausgiebig und hingerissen vor sich hin.
    Was Tony Bring betraf, so hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Zum einen war dies so offensichtlich bloß eine Geste, um Vanyas eigenen Ausdruck zu gebrauchen; zum
    anderen hatte er, sooft er selbst geputzt und Ordnung
    geschaffen hatte (wenn auch zugegebenermaßen nicht mit derselben Finesse), nie auch nur das leiseste Lob oder einen Dank gehört. Vanya war noch nie auf den Gedanken
    gekommen, sich um den Haushalt zu kümmern; was sie betraf, konnte das schmutzige Geschirr eine Woche lang in der Spüle stehen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihre Kleider aufzuheben, wenn sie zu Boden fielen. Es war ja viel
    einfacher, über die Sachen hinwegzusteigen.
    Hildred war nicht imstande, bis morgen zu warten, um sich bei Vanya zu bedanken. »Ich muß nachsehen, ob sie noch wach ist«, sagte sie.
    Er versuchte sie sanft zurückzuhalten. »Bitte, Hildred, nicht heute nacht… Heute nacht mußt du…« Er sprach nicht weiter, sondern schloß sie leidenschaftlich in die Arme.
    »Laß mich nur nachsehen, ob sie noch wach ist. Ich bin gleich wieder da.«
    Als er seine Umarmung lockerte, machte sie sich los. Anstatt direkt in Vanyas Zimmer zu gehen, eilte sie ins Badezimmer.
    Seine Gedanken rasten. Er ging auf und ab, blieb vor Vanyas Seekühen stocksteif stehen und sah durch sie hindurch, ohne den Sonnenuntergang wahrzunehmen, den sie mit ihren
    Schwänzen malten. Mechanisch zog er einen Stuhl heran, setzte sich rittlings darauf, legte die Arme auf die Lehne und ließ den Kopf hängen, als wollte er sich fallen lassen. Der Boden war makellos sauber und glänzte wie Lackleder. Vanya hatte ihn geputzt. Sie hatte auf den Knien gelegen. Vanya…
    Im Badezimmer war ein Fenster, und das Fenster war
    vergittert. Sie sprachen wahrscheinlich durch das Gitter miteinander, sprachen in großer Eile, denn gleich würde der Wärter kommen, und dann würde die Besucherin wieder gehen müssen. Dann würde sie wieder allein sein in ihrer kleinen Zelle, der Zelle mit dem Kasten aus Holz, aus dem die Musik gurgelte. Und der Stift würde wieder zischen und kratzen –
    Fliegen, die mit dem Kopf nach unten liefen, sandige Arme, die den Raum zerhackten, gib mir meine Augenhöhlen
    zurück… Er hob einen Augenblick lang den Kopf und sah ein Pissoir, das mit Warnungen vor Geschlechtskrankheiten
    tapeziert war. Er dachte an das chinesische Lokal und das Lied, das sie ihm ins Ohr gesungen hatte, und an das Gespräch, das sie gehabt hatten, als der dickflüssige schwarze Kaffee vor ihnen gestanden hatte. Die Löffel hatten einen stumpfen Glanz gehabt – sie waren zu oft gespült worden. Und als er an den stumpfen Glanz der Löffel dachte und an das, was sie über die Liebe zwischen zwei Männern gesagt hatte, sah er, daß ihre Tasche auf dem Tisch lag. Sie hatte die ganze Zeit dort gelegen, fast in Reichweite. Hildred mußte sie dorthin gelegt haben, als sie hereingekommen war; sie hatte sie, ohne nachzudenken, auf den Tisch geworfen, damit sie durch die Wohnung tänzeln und das Ergebnis von Vanyas liebevoller Arbeit bewundern konnte.
    Er klappte die Tasche

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