Verscharrt: Thriller (German Edition)
Teppichläufer durch den Gang. Die Stadt ist voller alter Absteigen, die mit Hilfe von ein bisschen Farbe und Tapete in florierende Unternehmen verwandelt wurden, aber die bescheidene Vorgeschichte dieses Etablissements ist besonders offensichtlich. Der einzige Wandschmuck besteht aus zwei mediterranen Landschaftsbildern in zwei Wandvertiefungen. Zimmer 111, das Vorletzte rechts, hat eine rote Tür und goldene Zahlen. Ein » Bitte nicht stören « -Schild hängt am Türknauf.
Krekorian zieht die Waffe, und O’Hara legt ihr Ohr an die Tür. Sie hört nichts, was aber in Anbetracht der unzähligen Rockkonzerte, die sie besucht hat, und ihrer Überzeugung, Ohrstöpsel seien ausschließlich was für Weicheier, nicht viel zu sagen hat. Sie geht vor der Tür auf die Knie und drückt die Synthetikfaser des Teppichbodens platt, um herauszufinden, ob im Zimmer Licht brennt, aber der Teppich ist zu dick. Außerdem ist er feucht, und als sie nach oben schaut und für Krekorian das Wort ›feucht‹ mit den Lippen formt, sieht sie, dass auch das Schild am Knauf feucht ist.
Während K die Tür bewacht, geht O’Hara zurück zum Büro und kehrt mit einer Codekarte zurück, mit der sie 113 aufschließt, das Zimmer nebenan. Jetzt kann sie auch nachvollziehen, wieso ein Zimmer hier nur 119 Dollar die Nacht kostet. Es ist kaum groß genug für ein französisches Doppelbett. Statt eines Schranks wurde ein sargförmiger Rahmen mit der Wand verschraubt, ein paar Kleiderbügel hängen drin. Über dem Bett befindet sich ein Foto von einem italienischen Dorf und daneben auf einem winzigen Tischchen ein Stapel Alu-Aschenbecher. Im Bad gibt es eine schwarz-weiß geflieste Dusche. Als sich O’Hara an die Kacheln lehnt, hört sie nebenan Wasser laufen. » Der Kerl duscht « , flüstert sie, als sie zurück in den Gang tritt.
» Vielleicht « , sagt K, seine dunklen Augen düster und wütend. » Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht steht er auf der anderen Seite und erwartet uns. «
KAPITEL 61
O’Hara schiebt die Karte ins Schloss und führt Krekorian hinein. Zwischen dem Schrank, dem Bett und der Wand können beide kaum stehen, so wenig Platz ist dort. Vor ihnen, nur Zentimeter von den Mündungen ihrer Waffen entfernt, befindet sich die Badezimmertür. Dahinter ist das Geräusch von fließendem Wasser zu hören, sonst nichts. O’Hara sieht sich in dem unordentlichen Raum nach einer Waffe um. Klamotten und Abfall liegen herum und verpesten die Luft. Auf der Kommode gammeln das orange-fleckige Wachspapier und der Pappteller der letzten Mahlzeit des Fettsacks vor sich hin, und von einer Ecke des Betts hängt eine Unterhose so groß wie ein Kissenbezug. Vielleicht ist die Waffe in der Einkaufstüte, aber O’Hara kann die Tüte nicht entdecken, bis sie den Blick nach unten richtet und sieht, dass sie direkt daneben steht: Tausende lose Geldscheine, aber keine Waffe.
Das kann bedeuten, dass er keine hat, dass sie sich irgendwo anders im Raum befindet, oder dass er damit hinter der Tür steht und lauscht. Plötzlich wird sie von ihren überstürzten Überlegungen und ihrer bescheuerten Eile der letzten zwanzig Minuten eingeholt und von Panik ergriffen. Zum ersten Mal, seit sie in das Hotel gerannt ist, begreift O’Hara, in welche Gefahr sie sich und ihren Partner gebracht hat, und als sie ihn ansieht, verdüstert sich ihr Blick.
Weil sie ihm voran ins Zimmer getreten ist, steht Krekorian jetzt direkt vor der Badezimmertür, O’Hara daneben. Trennen K nur noch Sekunden davon erschossen zu werden? Wird sie schuld sein am Tod ihres Partners? Sie hat zwar eine Waffe in der Hand, aber O’Hara musste sie auch noch nie in Ausübung ihrer Tätigkeit als Detective ziehen. Den letzten Schuss hat sie vor zehn Monaten bei der jährlichen Prüfung auf dem Übungsplatz abgefeuert.
O’Hara starrt die Badezimmertür an und lauscht. Sie wünscht, der Duschhahn würde abgedreht und sie könnte hören, wie der Vorhang beiseitegezogen wird, aber nichts davon geschieht. Das Wasser plätschert immer weiter. O’Hara blickt zu K, aber der lässt die Tür nicht aus den Augen.
Wenn der Verdächtige tatsächlich mit der Waffe hinter der Tür wartet, steigt mit jeder Sekunde die Wahrscheinlichkeit, dass er sie beide erschießt. Sie versucht klar zu denken, aber wie soll das gehen, wo sie doch nur deshalb in diese Lage geraten sind, weil sie nicht nachgedacht hat? Stattdessen besinnt sie sich auf ihren Zorn, der sie nie lange verlassen hat, seitdem sie die
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