Verscharrt: Thriller (German Edition)
erscheint » Perlen der Kindermedizin « , eine Seite mit Tipps und Ratschlägen; gleich darunter erscheint » 100% biologischer Lippenbalsam aus Bienenwachs von den Philippinen. « An dritter Stelle: » Tod im antiken Rom– Wikideath « : » Ein verbreiteter Brauch bestand darin, Perlen oder Bienenwachs in die Nasenlöcher zu geben, um zu verhindern, dass böse Geister sich des Toten bemächtigen. « Ashworth hat sich in der Kultur geirrt, die Römer waren es. Aber trotzdem. Der Text geht weiter. » Die Libitinarii sorgten dafür, dass… « An vierter Stelle erscheint ein Auszug aus dem » Patrin Web Journal– Totenrituale und Bräuche der Roma (Zigeuner) « mit folgendem Text: » Einige Sippen verschließen die Nasenlöcher von Verstorbenen mit Bienenwachs oder Perlen, um… «
Als O’Hara darauf klickt, landet sie auf einer Seite mit riesengroßer Überschrift– » Patrin « und darunter: » Bräuche und Traditionen der Roma: Totenrituale « . Illustriert wird das Ganze mit einem alten Schwarzweiß-Foto eines Roma- oder Zigeunerbegräbnisses, auf dem Trauernde einem Sarg durch ein Waldstück folgen. Mit einem weiteren Klick gelangt O’Hara zu einem mehrere Seiten langen wissenschaftlichen Eintrag.
Alle Roma-Sippen befolgen spezielle Bräuche und Rituale im Umgang mit den Toten… Für die Roma ist der Tod ein sinnloses, unnatürliches Ereignis, über das sich der Verstorbene ärgern sollte… traditioneller Überzeugung zufolge, geht das Leben für die Toten auf einer anderen Ebene weiter. Die Überlebenden haben jedoch große Angst davor, dass die Toten in übermenschlicher Gestalt zurückkehren und die Lebenden verfolgen… einige Sippen verschließen daher die Nasenlöcher der Verstorbenen mit Bienenwachs oder Perlen, um zu verhindern, dass böse Geister in den Körper eindringen… eine weitere wichtige Maßnahme besteht darin, Gegenstände in den Sarg zu legen, die dem Verstorbenen auf seiner Reise aus dem Leben nützlich sein können. Dazu kann alles Mögliche zählen, Kleidung, Werkzeug, Essbesteck, Schmuck oder Geld.
O’Hara denkt an die Gegenstände, die im Gemeinschaftsgarten ausgegraben wurden– das Geld, die U-Bahn-Münze, das Feuerzeug, das Schweizer Taschenmesser, die CD . Und jetzt fällt ihr außerdem noch ein, was sie im Laufe der Jahre durch Hörensagen über die Roma erfahren hat– dass sie ihre Kinder nach der dritten oder vierten Klasse von der Schule nehmen, immer wieder ihre Zelte abbrechen und umziehen, oft von einem Tag auf den anderen und meist, weil ihnen die Polizei auf die Pelle rückt. Und dass sie außerdem der modernen Medizin misstrauen. Alles passt zusammen. Die Täter sind Zigeuner, oder Roma, wie man sie politisch korrekt bezeichnet. Dunkle Außenseiter, die häufig an den Rändern der Gesellschaft leben und ihre eigenen rätselhaften Gesetze befolgen.
Warum war ihr all das nicht schon früher eingefallen? Die Haare des Jungen waren daran schuld. Wer hat schon je etwas von einem blonden Zigeuner gehört? Aber jetzt lässt sie alles, was sie in Erfahrung gebracht hat, durch den neuen Zigeunerfilter laufen, und plötzlich passt alles zusammen: die Beschreibung der beiden Täter– dunkelhäutig, aber keine Afroamerikaner–, das unbehandelte gebrochene Bein des Jungen, die fehlenden Schulakten.
O’Hara denkt zurück an den Abend in Sarasota, als die Frau und das Mädchen sich den älteren Herrn bei Publix vorgeknöpft hatten und sie ihnen nach Hause gefolgt war. Sie erinnert sich, wie es in dem Motelzimmer gerochen hatte, und an die Beschimpfungen, die ihr von der Tür aus nachgerufen worden waren, wobei es sich um ausgesuchtes Romani gehandelt haben musste. Irgendwie war Benjamin Levin in die Fänge einer Romasippe geraten, und anders als damals im Ring, wo er Gegnern entgegengetreten war, die in vielerlei Hinsicht das Doppelte von ihm waren, ist er hier chancenlos gewesen. Der Versuch, sich die Bedeutung ihrer Entdeckung in vollem Umfang vor Augen zu halten, verlangt ihren erschöpften Hirnwindungen solche Anstrengung ab, dass der New York State Trooper draußen dreimal klopfen muss, bis O’Hara den Blick vom Bildschirm abwendet.
» Steve Baginski « , sagt er, als O’Hara die Tür öffnet. » Wir haben heute Nachmittag telefoniert. Jack Marin hat mich gebeten, Sie zu holen. «
KAPITEL 50
Eine der beiden hinteren Türen des Volvo steht offen, und Jack Marin hockt davor wie ein Mann, der seinen Rücksitz anbetet. Sein breiter Rücken verdeckt was auch immer er
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