Verscharrt: Thriller (German Edition)
bereits, und während O’Hara an den Zapfsäulen und dem Minisupermarkt vorbeirollt, breitet der Verkehr einen Geräuschteppich über ihr aus, und orangefarbene Rücklichter sickern durchs Blattwerk der Bäume.
Am nördlichen Ende befindet sich ein Parkplatz für Pendler. Die Spurensicherung hat ein Zelt aufgeschlagen, und O’Hara parkt nicht weit davon entfernt zwischen einem New-York-State-Streifenwagen und einem Funkwagen des NYPD . O’Hara ist erleichtert, dass bislang noch keine Journalisten aufgetaucht sind. Ohne Leiche ist der Fund eines gestohlenen Fahrzeugs keinen Sendeplatz in den Abendnachrichten wert, und ohne Kameras gibt es auch keine hohen Tiere, die sich davor wichtigmachen können. Das bedeutet, O’Hara wird ihre Ruhe haben und niemandem in den Arsch kriechen müssen. So, wie es ihr im Moment geht, und in Anbetracht der langen Nacht, die sie noch vor sich hat, scheint das kein unbedeutender Begleitumstand.
O’Hara steigt aus ihrem Jetta und betritt das Zelt. Irgendwo zwischen Bronx und New Jersey ist ihr Schnupfen zu voller Blüte gelangt, und sie fühlt sich absolut scheiße. Trotzdem ist der Anblick des Wagens im Licht der Scheinwerfer der Spurensicherung eine ungeheure Erleichterung.
Moby Dick, denkt O’Hara, der große weiße Volvo. Wurde aber auch Zeit, verdammt. Gleichzeitig kann sie nachvollziehen, warum er so lange unbemerkt blieb, besonders auf diesem schmalen Streifen mitten im Nichts, an dem links und rechts Autos mit hundert Stundenkilometern vorbeirasen. Die Parkplatzmarkierungen sind so schlicht, dass sie von einer Kindergärtnerin mit Wachskreide hätten gezeichnet sein können, und die vierzehn Jahre alte Farbe ist völlig verblichen.
Alle fünf Türen sind offen, damit der Kriminaltechniker Jack Marin den Innenraum fotografieren kann. O’Hara hat früher schon mit Marin gearbeitet und vertraut ihm. Anstatt ihm über die Schulter zu blicken, geht O’Hara wieder raus. Der Highway wird beidseitig von Wäldern begrenzt, und trotz der Nähe zur Stadt herrscht hier eine ländliche Atmosphäre. Bevor die Schnaken sie ins Fadenkreuz nehmen, blickt sie zu den Sternen auf und wünscht Axl Erfolg in der Welt des Rock’n’Roll.
O’Hara macht sich auf zu dem rund um die Uhr geöffneten Minimart, dessen Regale mit Waren für Autoreisende und ortsansässige Kiffer bestückt sind. Auf einer Seite der Kasse steht ein mittelalterlich wirkendes Gerät, mit dem man Donuts macht, auf der anderen eine funkelnagelneue Maschine, die Lotteriescheine ausspuckt. EINEN DOLLAR UND EINEN TRAUM , MEHR BRAUCHEN SIE NICHT , steht auf dem Plakat, und O’Hara findet den Spruch heute noch ärgerlicher als sonst. Sie versucht ihr Glück lieber mit Eiskaffee und einer Advil, die sie mit Ersterem runterspült. Anstatt zum Zelt zurückzukehren, geht sie zu dem Funkwagen, der dort mit laufendem Motor wartet. Das Fahrzeug, das mit allem ausgestattet ist, was die moderne Echtzeitkommunikation zu bieten hat, muss den Steuerzahler mindestens zweihunderttausend Dollar gekostet haben, aber so, wie sich O’Hara gerade fühlt, wäre ihr das allein schon die Klimaanlage wert gewesen. Zum ersten Mal in ihrem Berufsleben funktioniert der Computer wirklich, und es gibt sogar Wi-Fi.
O’Hara bringt Wawrinka und Jandorek auf den neusten Stand der Erkenntnisse, was das gefundene Fahrzeug angeht, und gratuliert Axl zu seinem Konzert. Sie hört noch einmal die Mailbox-Nachricht von Sollie ab und denkt über das Betrüger-Kollektiv nach, das es auf einen einzigen alten Rentner abgesehen hatte. Wie, fragt sie sich, ist er in deren Fänge geraten? Dann liest sie die SMS von Ashworth ein zweites Mal und denkt über seine obskure Theorie nach, dass die Murmel und die Perle, die bei der Leiche gefunden wurden, ursprünglich in der Nase des Jungen gesteckt haben könnten.
O’Hara wendet sich erneut zum Computer und googelt » Perlen Nasenlöcher « .
Sie macht sich auf Pornos gefasst– im Internet führen alle Wege zu Schweinkram–, aber gleich der erste Treffer ist ein vierzehn-karätiger goldener Nasenring für das rechte Nasenloch mit einer zwei Millimeter großen Akoya-Perle bei Amazon. Der zweite Treffer ist derselbe Ring für das linke Nasenloch, ebenfalls bei Amazon. Die weiteren Treffer sind dann » Hängender Nabelschmuck mit Perlenimitat « , » Nasenstecker mit Perle « und » Nasenstecker mit Kugel. «
O’Hara ändert ihre Suche in » Bienenwachs und Perlen in den Nasenlöchern von Toten. « Als Erstes
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