Verscharrt: Thriller (German Edition)
Stück vom Kuchen zufriedengeben, wenn sie doch den ganzen haben kann? Und woher hätte Pizza wissen sollen, dass Crisco sie nicht bescheißt? «
» Wenn Pizza also die Klappe hält, woher weiß dann Crisco, dass sie einen an der Angel hat? «
» Ich weiß es nicht. Aber ich kann Ihnen versichern, das wäre kein Problem. Sagen wir mal, Pizza benutzt T-Mobile, dann muss Crisco nichts anderes machen, als sich mit jemandem bei T-Mobile anzufreunden. Der Kumpel kopiert Pizzas Telefonrechnung und schickt sie nach Waccabuc, wo Crisco sie auf dem Küchentisch ausbreitet. Am Mittwochabend sieht sie, dass Pizza zwanzig Minuten mit jemandem in Saint Augustine, Florida, telefoniert, was, wie ich aus Jeopardy weiß, die älteste Stadt Amerikas ist. Am nächsten Abend ruft sie die Nummer wieder an und telefoniert eine halbe Stunde. Die Telefonrechnung für den ganzen Monat besteht hauptsächlich aus Gesprächen mit einer Person in Florida. Da Crisco ganz genau weiß, dass Pizza in der Gegend keine Verwandten hat und auch keine Roma kennt, die da wohnen, heißt das, Pizza telefoniert mit einem gadje, einem Amerikaner, und der einzige Grund, weshalb Pizza einen Amerikaner anruft, ist, dass sie ihm Geld abknöpfen will. Irgendwann wählt Crisco also selbst die Nummer. Sie lässt sich irgendeine Geschichte einfallen– bei einem einsamen alten Mann ist das nicht so schwer–, fängt an zu flirten und erzählt ihm, wie schwer es ist, einen guten Mann in ihrem Alter zu finden. Und bevor sie sich’s versieht, hat sie den Amerikaner in der Tasche. «
» Woher wollen Sie wissen, dass es ein Amerikaner ist? «
» Amerikaner, gadje, egal. « Für Marla ist jeder, der kein Roma ist, Amerikaner. Das bedeutet, Amerikaner ist auch bloß eine Art Typenbezeichnung. P.T. Barnum hätte es nicht besser auf den Punkt bringen können.
» Hat Pizza keine Entschädigung verlangt? « , fragt O’Hara. » Ich hab gelesen, wenn ein Zigeuner glaubt, ihm sei durch einen anderen Zigeuner Unrecht widerfahren, kann er eine Verhandlung einberufen, ein Kris. «
» Niemand fährt Hunderte von Meilen, um einen Streit wegen einer solchen Betrügerei beizulegen. Bei den meisten Krisa geht’s um eine Mitgift oder den Brautpreis– eine Ehe wird verabredet, geht aber so schnell in die Binsen, dass die Familie des Bräutigams den Brautpreis zurückverlangt. «
» Mit der Ehe funktioniert es dann bei euch also auch nicht besser als bei den Amerikanern? « Im Kerzenlicht sieht O’Hara, dass Marla die Augen verdreht. » Bitte « , sagt Marla. » Und wenn’s nicht um eine Mitgift oder den Brautpreis geht, dann eben um etwas anderes Wichtiges. Einen schweren Unfall oder einen Todesfall. Ein Zigeuner hat einen anderen getötet, und die Familie des Opfers verlangt Geld. Als ich das letzte Mal von so einem Fall gehört habe, ging’s um den Mord an jemandes Enkel. «
» Wissen Sie noch, was passiert ist? «
» Nichts. Die haben bezahlt. Zum Schluss geht’s doch immer nur ums Geld. Geld regiert die Welt. «
» Und wenn das mit dem Kris nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat? «
» Dann hat man Pech gehabt. Wer sich einem Kris unterwirft, muss die Entscheidung akzeptieren, egal ob gut oder schlecht. Wer sich nicht fügt, riskiert ein Marime, das bedeutet, man wird aus der Welt der Zigeuner ausgeschlossen. Danach will kein Zigeuner mehr etwas mit einem zu tun haben. Für einen Zigeuner bedeutet das praktisch den Tod. «
» Also, was hätte Pizza tun können? «
» Sich rächen oder damit abfinden. «
» Oder sich selbst einen Freund bei der Telefongesellschaft suchen? «
» Warum nicht? Ist ja ein freies Land. «
» Und jeden Tag wird ein Trotel geboren geboren. «
» Der ist gut, Darlene. Der gefällt mir. «
KAPITEL 55
Nachdem sich O’Hara eine Woche lang mit ihrer Erkältung rumgeschlagen hat, beschließt sie, diese jetzt richtig anzugehen, sie auszuschwitzen oder daran zu sterben. Kaum ist sie wieder zu Hause, zieht sie die feuchtkalten Klamotten aus, die sie den ganzen Tag anhatte, und zwei T-Shirts, eine Jogginghose und dicke Baumwollsocken an. Dann setzt sie Teewasser auf und macht Bestandsaufnahme in ihren Schränken. Als sie fertig ist, stehen drei Flaschen vor ihr auf dem Küchentisch, daneben liegt ein alter Teebeutel. Die grüne Flasche enthält NyQuil, die orangefarbene Theraflu und die braune Maker’s Mark. Keine davon ist mehr als ein Drittel voll, und laut Aufdruck ist das NyQuil seit Februar 2003 abgelaufen.
Als der Teekessel
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