Verscharrt: Thriller (German Edition)
wieder in die Küche. Das Wasser braucht ewig, bis es kocht, und O’Hara und Bruno starren es gemeinsam an. Als es endlich so weit ist, gießt sie sich ein weiteres Gebräu ein, dieses mal mit Theraflu, und kehrt zur Couch zurück. Es schmeckt noch schlimmer als das Erste, aber sie trinkt es bis zum letzten Tropfen und kriecht gerade erneut zwischen die feuchten Handtücher, als Wawrinka noch mal anruft.
» Hey, Con. «
» Darlene, du klingst wie unter Wasser. «
» Ehrlich? «
» Ich hab dir gerade ein kleines Video geschickt. Es stammt aus der Notaufnahme des Mother of Mercy Hospital in Florence, South Carolina, sieben Meilen von der Stelle entfernt, an der Popsicle gefunden wurde. Das Licht ist nicht toll, aber man kann alle drei erkennen. «
O’Hara hat Mühe zu verstehen, was Wawrinka meint. » Die sind mit dem Jungen in die Notaufnahme gefahren? «
» Fast. Sieh’s dir an. «
» Fast? Wie habt ihr das gefunden? «
» Du weißt doch, dass wir dachten, Fudgesicle hätte Popsicle umgebracht, weil er ihm die Beute klauen wollte. Als ich ein bisschen länger drüber nachgedacht habe, ergab das plötzlich keinen Sinn mehr, denn Fudgesicle wusste ja gar nichts davon. «
» Ich kann dir nicht folgen « , sagt O’Hara kraftlos.
» Hätte Fudgesicle von der Beute gewusst « , sagt Wawrinka, » hätte er sie nicht im Wagen gelassen. So wie er Popsicle verprügelt hat, hätte er ihm den Diamanten aus dem Bauch geschnitten, hätte er gewusst, dass er ihn verschluckt hat. Wenn er Popsicle also nicht deshalb getötet hat, dann muss es einen anderen Grund gegeben haben. Ich dachte, vielleicht könnte es was mit dem Jungen zu tun haben, zumal einer der beiden Täter ihm anscheinend hatte helfen wollen und der andere eher nicht. Ich hab alle Krankenhäuser in der Umgebung der Leichenfundstelle angerufen und sie die Nacht des 3. März in ihren Büchern nachschlagen lassen– das war die Nacht, in der die drei dort unterwegs waren. Zwei Stunden später hat sich das Mother of Mercy Hospital gemeldet. Laut ihren Aufzeichnungen hat dort jemand am 4. März um 1:07 Uhr in der Notaufnahme angerufen und angekündigt, ein krankes Kind vorbeibringen zu wollen, aber es wurde keins aufgenommen. Ich habe sie gebeten, sich das Material aus den Sicherheitskameras anzusehen, und da haben sie das Video hier gefunden. Ist nur achtunddreißig Sekunden lang. Ich bleibe dran. «
Die Krankenhauskamera ist hoch über dem Eingang zur Notaufnahme angebracht und auf die Zufahrt unter einer Betonüberdachung gerichtet. In der Mitte umschwirren Motten eine Glühbirne. Ein weißer Kombi fährt ins Bild. Obwohl der Wagen nicht direkt unter der Lichtquelle hält, erkennt O’Hara Popsicle am Steuer und Fudgesicle auf dem Beifahrersitz. Sein Kinn ruht auf seiner massiven Brust, und er hängt im Sitz, als würde er schlafen. Dann wird die Fahrertür geöffnet. Ein kleiner Mann steigt aus und geht nach hinten. Er bückt sich in den Wagen und taucht mit dem Jungen auf den Armen wieder auf. So schlaff wie Hercs Kopf, Arme und Beine herunterhängen, scheint er ohnmächtig zu sein. Während Popsicle Mühe hat, den Jungen vollständig aus dem Wagen zu ziehen, bewegt sich plötzlich etwas auf dem Vordersitz, dann fliegt die Beifahrertür auf. Ein verschwommenes Etwas rast vorne am Wagen vorbei, und als Popsicle sich mit dem Jungen aufrichtet und auf den hell erleuchteten Eingang zugehen will, läuft er direkt gegen den undeutlichen Fleck.
Popsicle steht wehrlos da, den Jungen auf den Armen, und Fudgesicle schlägt ihm mit voller Kraft ins Gesicht. Nach dem ersten Schlag taumelt der kleinere Mann seitlich an den Wagen, nach dem zweiten fällt er um, doch weder beim ersten noch beim zweiten Schlag lässt er den Jungen los. Als Popsicle in der Auffahrt liegt, der Junge quer über ihm, tritt ihm sein Partner gegen den Kopf, wirft einen Blick über die Schulter und tritt dann noch einmal mit der vollen Wucht seines Gewichts zu. Selbst als Fudgesicle beide hinten auf die Ladefläche verfrachtet, hält Popsicle den Jungen noch fest. Nachdem Fudgesicle die Hintertür zugeschlagen hat, geht er auf ein Knie runter und greift hinter das Hinterrad. Er hebt etwas auf und steckt es in die Hosentasche, dann setzt er sich ans Steuer. Als der Wagen aus dem Bild fährt, sind Popsicle und der Junge so gut wie tot.
KAPITEL 56
O’Hara setzt sich mitsamt den schweißnassen Handtüchern auf und wischt sich über die verklebten Augen. In der anderen Hand hält sie das
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