Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
Mobilbox meldet. Jetzt ist er wohl definitiv böse auf mich. Ich muss sofort ins pur, vielleicht ist er noch da.
»Was ist mit deiner Schwester?«, frage ich Gerda.
»Die habe ich nicht erreicht.«
»Ich weiß, aber vielleicht jetzt.«
Sie nickt, tippt auf eine Taste, wartet. Ich atme auf, ihre Schwester ist dran, und es stellt sich heraus, dass sie beinahe beim pur ums Eck wohnt.
Schmidt ist etwas verblüfft wegen unseres raschen Aufbruchs, aber es ist alles unterschrieben und ohnehin höchste Zeit, dass auch er heimkommt. »Sobald es Neuigkeiten gibt, melde ich mich«, sagt er.
Ich liefere Gerda vor dem Haus ihrer Schwester ab. Wenn ich ihm alles erzähle, wird Oskar verstehen. Sicher. Er hat schon so viel verstanden. – Eben, irgendwann einmal reicht es ihm. Ich muss ruhiger werden, angepasster, einfühlsamer. Verheiratet. Wenn ich noch die Chance dazu habe.
Ich stürze geradezu ins pur, bremse erst ab, als ich eine Reihe neugieriger Blicke bemerke. An der Bar kein Oskar. Auch nicht im Restaurant. Schon will ich geschlagen wieder gehen, als ich ihn in einer der kleinen Nischen sitzen sehe. Er ist nicht allein. Er scheint sich ausgesprochen gut zu unterhalten. Mit Angelika Beer. Nichts wie weg. Du hast es vermasselt, Mira. Alles. Wie war das mit dem Scheitern von Beziehungen? Wir scheitern an ihnen, ich bin gescheitert. – Moment mal: Angelika könnte ja wegen Jacques da sein und dann Oskar gesehen haben, der ganz allein am Tisch sitzt und immer wieder auf die Uhr sieht, mich anruft, aber keine Antwort bekommt, weil mein Akku leer ist nach den vielen Gesprächen des Tages. Ich atme tief durch und gehe auf die beiden zu.
»Es tut mir total leid«, rufe ich Oskar anstelle einer Begrüßung zu, »aber Gerdas Mann ist tot.«
»Und ich dachte schon, du hast es dir anders überlegt«, sagt Oskar und sieht trotz der schlechten Nachricht so erleichtert aus, dass ich ihm beruhigt um den Hals falle. Außerdem soll diese Angelika ruhig sehen, wie die Dinge stehen.
»Frau Hofers Mann ist tot? Was ist geschehen?«, will sie aufgeregt wissen. »Warum hat sie mich nicht angerufen?«
»Na ja, die Scheidung ist ja vorbei. Samt Urteil.« Ich kann mir gerade noch verkneifen zu sagen, dass sie auch ohne Anwältin nicht mehr als schuldig gesprochen hätte werden können.
Ich setze mich.
»Hast du schon etwas gegessen?«, fragt Oskar.
Essen. Daran habe ich ausnahmsweise gar nicht gedacht. »Und wie ist das mit dir?«
Er schüttelt den Kopf.
»Dann sollten wir uns ein schönes Menü zusammenstellen lassen«, meint die Anwältin.
»Wir« klingt nicht eben gut, aber andererseits … Ich würde es heute ohnehin kaum durchstehen, über eine Hochzeit und das Rundum zu reden.
»Ja, wunderbar«, sagt Oskar. Es klingt ein bisschen zögerlich.
Ich strahle ihn an und zucke – hoffentlich nur für ihn merkbar – mit den Schultern. Er grinst.
Angelika winkt den Oberkellner herbei, sie macht schon ziemlich auf Hausherrin, finde ich, und wir besprechen das Menü.
»Das mit der Scheidung ist übrigens noch nicht zur Gänze vorbei«, klärt mich Dr. Beer auf, »es fehlt ja noch die gerichtliche Vermögensaufteilung.«
Oskar schaut nachdenklich in sein Weinglas. »Wie ist er ums Leben gekommen?«
Ich erzähle, was ich weiß.
»Nicht gerade ungünstig für Gerda«, sagt er danach, »rein sachlich gesehen. Wenn kein Testament da ist, dann erben alles die Kinder. Und alles bleibt quasi in der Familie.«
»Du willst doch damit nicht andeuten …«
»Will ich nicht, aber du kannst sicher sein, dass die Polizei in diese Richtung überlegen wird.«
Wird sie, das glaube ich auch. »Sie hat ein Alibi, aber es ist nur teilweise wasserdicht«, kläre ich ihn auf. »Zuerst hat sie fotografiert, da waren genug Leute dabei, danach ist sie zu ihrem Peter, und sie weiß nicht, ob sie jemand gesehen hat. Aber ihr hättet sehen müssen, wie zerstört sie war, welche Vorwürfe sie sich macht, dass er sich womöglich umgebracht hat.«
»Kennst du Gerda so gut?«, fragt Oskar.
Ich will schon antworten, schüttle dann aber langsam den Kopf. Sie war wütend über das Scheidungsurteil und verzweifelt. Und dann vielleicht noch der Restalkohol …
»Ich bin gleich wieder zurück«, entschuldigt sich Angelika, »muss mal für kleine Mädchen.«
Wie ich diesen Ausdruck hasse.
»Irgendwie habe ich mir den heutigen Abend anders vorgestellt«, flüstert mir Oskar zu und streichelt meine Hand.
Schuldbewusst blinzle ich ihn an.
»Aber mit dir muss
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