Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
muss am letzten Wochenende gewesen sein. Drüben am See. Mit ihrem Fernglas.«
»Und sie
war allein?«
»Sie war
immer allein.«
Greiner
packte einen länglichen Gegenstand aus, den er in Plastikfolie eingewickelt hatte.
Er reichte das rostige Brecheisen Reiter und fragte:
»Könnte
das hier vom Gelände stammen?«
Reiter wog
das Werkzeug schwer in der Hand. »Schon möglich. Wir haben jede Menge Werkzeug hier
’rumliegen. Ist das die Tatwaffe? Ich hab gehört, man hätte die Alte mit ’ner Weinflasche
erschlagen?«
»Reine Routinefrage«,
wich Greiner aus. »Wir müssen jeder Spur nachgehen.«
»Haben Sie
Schnegglisand auf dem Gelände?«, fragte Jens Bosch jetzt.
»Schnegglisand?
Ja. Wir liefern ihn als Oberschicht für die Grünbrücke über die neue B 33 bei Konstanz.
Den haben wir hier überall am Untersee und im Seerhein.«
»Wir müssten
einige Bodenproben entnehmen«, erläuterte Bosch.
»Wozu?«
»Um herauszufinden,
wo sich Lene Grandel vor ihrem Tod aufgehalten hat. Und dann brauchen wir eine Liste
Ihres Fuhrparks. Alle Fahrzeuge, Typ, Baujahr, Kennzeichen und Bereifung. Bis morgen.«
Bosch ließ
dem sprachlosen Reiter keine Zeit für eine Gegenfrage, legte ihm seine Visitenkarte
auf den Schreibtisch, erhob sich und wandte sich zum Gehen.
»Und halten
Sie sich zu unserer Verfügung«, sagte er noch, ehe er und Kommissar Greiner die
Baracke verließen.
»Was ist
mit dem da?«, fragte Greiner draußen und zeigte auf den Bosnier, der sich an einem
Gabelstapler zu schaffen machte.
»Später«,
erwiderte Bosch. »Der läuft uns nicht davon. Ich möchte erst wissen, was bei der
Untersuchung der Fahrzeuge herauskommt. Die Kollegen von der zivilen Streife sollen
in den nächsten Stunden hier mal ein bisschen aufpassen. Sobald Reiter anfängt,
auch nur ein Fahrzeug zu reinigen oder einen Kofferraum auszuräumen, schreitet die
Kriminaltechnik ein und nimmt das Fahrzeug auseinander bis auf jeden Rostfleck,
klar? Wenn wir auch nur einen Verdachtsmoment haben, stellen wir denen die Bude
auf den Kopf!«
Greiner
nickte.
57
Hadé erholt sich langsam.
Sema verbindet
notdürftig ihre Wunden. Tage später fährt Akpan sie in einer kalten Nacht in einem
Viehtransporter nach Osten zu einer kleinen Holzhütte am Rand der Berge von Ceuta.
Das Meer ist jetzt so nah, dass sie das Rauschen der Brandung hören. Noch einmal
warten sie fünf Nächte lang.
Dann, in
einer stürmischen Nacht, kommt das Boot.
Akpan taucht
noch einmal auf und grinst.
»Sturm ist
gut für die Überfahrt. Weniger Kontrollen!«, höhnt er. Dann erklärt er, wie es für
sie in Europa weitergeht: Jeden Monat haben sie von nun an zu bezahlen. 500 Euro
für Mahama sind die Regel, 200 das Mindeste. Aus den 10.000 Euro, von denen Mahama
zu Beginn der Reise gesprochen hat, ist inzwischen mehr als das Fünffache geworden.
Wie sie
denn als Kindermädchen so viel verdienen könne, fragt eine der Frauen. Oh, das sei
kein Problem, erzählt Akpan. In Deutschland gebe es auch noch andere Arbeit für
Frauen wie sie. Mit ihren geilen Titten, sagt er und fasst ihr lüstern an die Brüste,
könne sie in Deutschland genug Geld verdienen, und es läge an ihr, sich bei einer
ordentlichen Nummer ohne Kondom gut bezahlen zu lassen. Keiner von ihnen solle einfallen,
Mahama zu betrügen. Er finde sie überall auf der Welt, denn durch den mächtigen
Ju-Ju wisse er immer, wo sie seien.
»Ihr werdet
in Spanien von eurer Madame oder ihren Helfern erwartet«, sagt Akpan, »sie hat mit
allem Erfahrung und wird euch zeigen, wie ihr euren Job zu machen habt. Vertraut
ihr, denn sie sorgt für euch. Bei ihr werdet ihr wohnen, essen und schlafen. Sie
ist wie eine Mutter zu euch«, endet er und lacht hämisch. Das Lachen dröhnt noch
Tage später in Hadés Ohren, als sie zum ersten Mal von der Madame geschlagen wird.
Akpan kassiert
noch einmal: 1000 Euro für einen Platz auf dem Gummirand, 2000 Euro für einen Platz
im Boot, und bringt sie hinunter zum Strand. Der Kapitän, ein bulliger, fetter Kerl
in hohen Gummistiefeln und schwarzem Anorak nimmt das Geld entgegen, dann verschwindet
Akpan, ohne sich noch einmal nach ihnen umzusehen.
Hadé erstarrt,
als sie vor den düster wabernden Wellen den Umriss des Zodiacs erkennt. Sie hat
mit einem größeren Boot gerechnet, einem richtigen Schiff aus Holz, nicht mit einem
Schlauchboot, in dem kaum zwei Dutzend Menschen Platz haben. Der Kapitän nimmt alle
40 mit, dafür bleibt ihr Gepäck zurück.
Erst später
erfährt
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