Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
Bildschirm. Er hielt eine Tasse kalten Tee in der Hand. Rebus nahm sie ihm vorsichtig ab.
»Mickey«, sagte er. »Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann.«
Michael blinzelte und sah ihn an. »Du kannst immer mit mir reden«, erwiderte er. »Das weißt du doch.«
»Das weiß ich«, sagte Rebus. »Wir haben jetzt etwas gemeinsam.«
»Was denn?«
Rebus ließ sich auf das Sofa fallen. »Man hat uns beide hängen lassen.«
25
Chief Superintendent Watson hatte einen Horror vor den Samstagvormittagen, an denen seine Frau ihn zu überreden versuchte, mit ihr einkaufen zu gehen. Eintönige Stunden in Kaufhäusern und Bekleidungsgeschäften, ganz zu schweigen vom Supermarkt, wo man ihn nur zu gern zum Versuchskaninchen machte für das neueste malaysische Mikrowellengericht oder irgendeine unanständig aussehende, unaussprechliche Frucht. Das Schlimmste war natürlich, dass er andere Männer sah, die sich in genau dem gleichen Dilemma befanden. Ein Wunder, dass keiner von ihnen ausrastete und zu schreien anfing, dass sie doch schließlich früher mal Jäger gewesen waren, wild und stolz.
Doch an diesem Morgen konnte er die Arbeit vorschieben. Er suchte immer nach irgendeinem Vorwand, um kurz in St. Leonard’s vorbeizugehen oder sich Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Nun saß er in seinem Arbeitszimmer, hörte Radio Scotland und las die Zeitung. Im Gebäude herrschte himmlische Ruhe. Dann klingelte das Telefon, was ihn ärgerte, bis ihm einfiel, dass er genau auf diesen Anruf gewartet hatte. Es war die Ballistikabteilung von Fettes. Nach dem Anruf sah er eine Nummer in seiner Kartei nach und führte ein weiteres Telefongespräch.
»Ich erwarte Sie am Montagmorgen in meinem Büro«, erklärte er Rebus, »zu einer offiziellen Befragung.«
»Daraus schließe ich«, sagte Rebus, »dass ich einen Knaller von Waffe erworben habe.«
»Allerdings!«
»Die Kugeln haben also übereingestimmt?«
»Ja.«
»Damit haben Sie gerechnet«, konstatierte Rebus. »Ich allerdings auch.«
»Es ist eine peinliche Situation, John.«
»Das soll es auch sein.«
»Für Sie genauso wie für mich.«
»Mit Verlaub, Sir, an Sie hab ich dabei nicht gedacht …«
Als Siobhan Clarke an diesem Morgen aufwachte, warf sie einen Blick auf die Uhr und sprang aus dem Bett. Mein Gott, es war schon fast neun! Sie hatte gerade das Wasser für ein Bad aufgedreht und suchte im Badezimmer nach sauberer Unterwäsche, da kam ihr die Erleuchtung. Es war Wochenende! Kein Grund, sich zu beeilen. Ganz im Gegenteil. Ein Aushilfsteam hatte die »Operation Geldsäcke« übernommen, nur für dieses erste Wochenende, um abzuklären, ob sich in Dougarys Büro irgendwas tat. Laut Information der Steuerfahndung waren für Dougary die Wochenenden sakrosankt. Angeblich begab er sich noch nicht mal in die Nähe der Gorgie Road. Aber sie mussten sichergehen, deshalb würde zumindest an diesem Wochenende eine Ersatzmannschaft die Dinge im Auge behalten. Wenn nichts passierte, wollte man sich am nächsten Wochenende die Mühe sparen. Zum Glück hatte Dougary feste Gewohnheiten. Nur selten war sie länger als bis halb sechs auf ihrem Wachposten geblieben, häufig konnte sie sogar etwas früher gehen. Was Siobhan entgegenkam, denn so schaffte sie es, außerhalb der Arbeitszeit ein paar nützliche Fahrten nach Dundee zu unternehmen.
Für den heutigen Morgen hatte sie eine weitere Fahrt geplant, doch sie brauchte Edinburgh erst in etwa einer Stunde zu verlassen. Und sie würde ganz bestimmt zurück sein, bevor bei den Hibs zum Anstoß gepfiffen wurde.
Jetzt gab’s erst mal einen Kaffee. Im Wohnzimmer herrschte ein ziemliches Chaos, doch das störte sie nicht. Normalerweise erledigte sie sämtliche Hausarbeiten am Sonntagmorgen. Das war das Gute am Singledasein: Man trug die Verantwortung für sein Chaos ganz allein. Es gab niemanden, der dumme Bemerkungen darüber machte oder sich dadurch gestört fühlte. Chipstüten, Pizzakartons, zu Dreivierteln leere Weinflaschen, alte Zeitungen und Zeitschriften, CD-Boxen, diverse Kleidungsstücke, geöffnete und ungeöffnete Post, Teller und Besteck sowie sämtliche Kaffeebecher, die sie besaß — das alles lag in ihrem dreieinhalb mal viereinhalb Meter großen Wohnzimmer herum. Irgendwo unter dem ganzen Müll befand sich ein Futon und ein schnurloses Telefon, das jetzt klingelte. Sie griff unter einen Pizzakarton, nahm den Hörer und zog die Antenne heraus.
»Sind Sie das, Clarke?«
»Ja, Sir.« So ziemlich der Letzte, den sie
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