Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
pünktlich deinen Lohn und einen fairen Mietpreis. Du bekommst deine freien Tage, und wenn du in ein paar Monaten immer noch hier bist, werde ich dein Gehalt noch mal erhöhen.«
»Ich werd Sie nicht sitzen lassen. Wenn ich weg muss, sag ich rechtzeitig Bescheid.«
»Gut. Und jetzt werd ich dich mal was fragen, und ich merke genau, wenn du lügst. Hast du Probleme mit dem Gesetz?«
»Nein.« Reece fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und lachte kurz auf. »Um Gottes willen, nein.«
»Das hab ich auch nicht anders erwartet, aber wenn du’s genau wissen willst: Es gibt hier ein paar Leute, die genau das vermuten. Die Leute hier lieben es zu tratschen, um sich die Zeit zu vertreiben.« Sie schwieg einen Moment. »Wenn du mir nicht sagen willst, was mit dir los ist, ist das deine Sache. Aber falls mal jemand vorbeikommt, der dich sucht, könnte es hilfreich sein zu wissen, ob er dich finden soll oder ob ich ihn lieber weiterschicke.«
»Niemand wird nach mir suchen. Es gibt nur meine Großmutter, und die weiß, wo ich bin. Ich laufe vor niemandem davon.« Außer vielleicht vor mir selbst, dachte sie.
»Dann ist ja alles bestens. Den Schlüssel hast du. Es gibt noch einen Ersatzschlüssel im Büro. Doch keine Angst, ich komme nicht hier hoch und stecke meine Nase in deine Angelegenheiten, weil du hier eingezogen bist. Aber wenn du mit der Miete in Verzug kommst, werd ich dir das Geld vom Gehalt abziehen, da kenn ich kein Pardon. Ich habe schon genug Ausreden gehört.«
»Wenn Sie mir meinen Gehaltsscheck in bar auszahlen, kann ich Ihnen das Geld für die erste Woche gleich geben.«
»Da spricht nichts dagegen. Und noch etwas: Ich kann ab und an etwas Hilfe beim Backen gebrauchen. Dann würd ich gern auf dich zurückgreifen. Ich backe immer in meiner eigenen Küche.«
»Kein Problem.«
»Ich werd’s in deinen Schichtplan eintragen. So, und jetzt lass uns wieder runtergehen, bevor Beck noch jemanden vergiftet.«
Mit ihrem restlichen Gehalt und einem Teil des Trinkgelds eilte Reece in den Gemischtwarenladen. Nur das Nötigste, ermahnte sie sich. Sie war hier schließlich nicht in der Newberry Street, außerdem konnte sie sich keinen Luxus leisten.
Trotzdem gab es ihr einen regelrechten Kick, sich endlich mal mehr zu gönnen als ein Paar neue Socken oder neue Jeans. Die Vorfreude beschleunigte ihre Schritte, bis sie spürte, wie ihre Wangen eine schöne, gesunde Farbe annahmen.
Sie stürmte in den Laden, während die Klingel über der Tür ertönte. Es waren noch andere Kunden da, manche von ihnen kannte sie aus dem Diner. Ein Steaksandwich mit einer Extraportion Zwiebeln für den Mann in der karierten Jacke in der Eisenwarenabteilung. Und die Frau und ihr kleiner Sohn, die sich bei den Lebensmitteln umsahen? Gebratenes Huhn für ihn, Krautsalat für sie.
Sie entdeckte eine Vierergruppe von Campern. Sie deckten sich mit Lebensmitteln ein, die sie in einen der Einkaufswagen stapelten.
Reece gab Mac Drubber ein Zeichen und fühlte sich durch sein freundliches Nicken irgendwie getröstet. Es tat gut, vertraute Gesichter zu sehen und anderen ebenfalls vertraut zu sein. Alles war easy und ganz normal. Hier stand sie also und sah sich eingeschweißte Bettwäsche an. Die schlichte weiße schied sofort aus, die erinnerte sie viel zu sehr an Krankenhausbettwäsche. Vielleicht die hellblaue mit dem kleinen Veilchenmuster und dazu ein dunkelblaues Laken. Und die Handtücher in Dottergelb, um das Bad etwas freundlicher zu gestalten.
Sie schleppte den ersten Stapel zur Theke.
»Sie haben also eine nette Bleibe gefunden?«
»Ja. Das Apartment über dem Joanie’s«, erklärte sie Mac.
»Das ist ja prima. Wollen Sie anschreiben?«
Im Moment klang das mehr als verlockend. Sie könnte alles mitnehmen, was sie brauchte, und außerdem noch ein paar Sachen, die sie gern hätte, und erst später bezahlen. Aber das wäre ein Verstoß gegen die strengen Regeln, nach denen sie seit über acht Monaten lebte.
»Nicht nötig, heute ist Zahltag. Ich brauch nur ein paar Sachen für die Küche, das reicht mir vorerst.«
Sie überschlug im Kopf, was das wohl alles kosten würde, und überlegte, was sie unbedingt brauchte und was nicht. Eine gute gusseiserne Kasserolle, einen anständigen Kochtopf. Das Kochgeschirr, das sie einst besessen hatte, konnte sie sich jetzt nicht mehr leisten, aber sie kam auch so zurecht.
Doch selbst während sie rechnete und ihre Einkaufsliste korrigierte, sah sie sich jedes Mal nervös um,
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