Verschollen
es herunter. Die Brüder waren nicht im Speisesaal zu sehen und so blieben Martin und er nach der Mahlzeit sitzen und warteten. Schließlich kam Ilgar herein und trat zu ihnen. »Bereit?«
Tristan nickte und stand auf.
»Kann ich euch begleiten?«, fragte Martin.
Ilgar sah überrascht aus, nickte aber gleichmütig. Gemeinsam gingen sie zur Scheune, wo Katmar bereits wartete. Er hatte zwei Holzschwerter parat und reichte Tristan eines davon. Es wog überraschend schwer in der Hand, fast so, als sei es aus Metall.
»Passt auf, ich zeige euch ein paar einfache Schlagarten und wie man sie pariert. Das,« Katmar holte mit dem Schwert über dem Kopf aus, »ist der Ochs. Man zielt auf die Schulter des Gegners, so als wolle man ihn diagonal spalten. Bei der Ochsparade hält man das Schwert über dem Kopf, die Spitze höher als den Griff.« Tristan versuchte es. »Richtig. Am besten ist es, wenn mein Schwert im rechten Winkel auf eures trifft, dann gleitet sie an eurer Klinge ab und prallt auf die Parierstange, seht ihr.« Er ließ sein Schwert betont langsam auf das Tristans treffen und zeigte es. Danach brachte er Tristan noch drei weitere Attacken und die entsprechenden Paraden bei und trat zurück. »Sehr gut. Nun versucht mich anzugreifen.«
Katmar ging mit erhobenem Schwert und gespreizten Beinen in Verteidigungsstellung. Tristan hob seine Waffe über den Kopf, wie er es eben gezeigt bekommen hatte, umkreiste Katmar und schlug dann zu. Katmar parierte die Angriffe, doch nach einigen Schlägen begannen seine Arme zu zittern und als beim Zusammenprall der Holzklingen ein großes Stück aus einem der Schwerter brach, wich er zurück und ließ seine Waffe sinken. »Fürwahr, ihr habt die Kraft eines Paladins. Wenn ihr eure Technik noch verbessert, werdet ihr ein starker Gegner sein.«
Tristan freute sich über das Lob, doch sein Lächeln erlosch sogleich wieder, als er Ilgar mit höhnischem Grinsen und einem Morgenstern herankommen sah. Es war eine Trainingswaffe, die Kugel am Ende der Metallkette war aus Holz und hatte nicht die typischen Stacheln. Ilgar ließ sie durch die Luft wirbeln und baute sich breitbeinig auf. »Kommt schon, Paladin.« Er spuckte das Wort förmlich aus. »Wollen mal sehen, was euch eure Wunderkräfte nutzen, wenn es ernster zur Sache geht. Nun los, ziert euch nicht.«
Tristan wurde wütend. Er hatte bis heute noch nie ein Schwert in der Hand gehabt und war dafür eben ganz zufrieden mit sich gewesen. Aber dieser aufgeblasene Kerl wollte ihm offenbar unbedingt vor Augen führen, dass er nicht damit umgehen konnte. Am liebsten hätte sich Tristan auf den Kampf eingelassen, immerhin ging er in Berlin zur Schule und hatte schon öfter irgendwelchen Assis auf dem Schulhof zeigen müssen, was er im Judo gelernt hatte, weil die dachten, ihm könne man mal eben das Taschengeld abknöpfen. Doch er wusste, dass es dumm wäre und Ilgar ihm zumindest eine dicke Beule verpassen würde, wenn nicht Schlimmeres. Es wäre vernünftiger, ihn einfach zu ignorieren.
Er wollte sich schon abwenden, als er im Augenwinkel Tiana und Vinjala bemerkte, die die Szene beobachteten. Tristan verzog den Mund. Was nun? Vor den Mädchen wie ein Feigling dastehen und klein bei geben oder sich wie ein Hitzkopf ein paar Beulen einfangen?
Martin nahm ihm die Entscheidung ab. »Du nimmst den Mund ganz schön voll, Ilgar. Tristan ist kein ausgebildeter Schwertkämpfer, es ist reichlich feige, ihn zu fordern. Vielleicht nimmst du es lieber mit mir auf?« Er grinste dabei, doch in seinen Augen blitzte es gefährlich. »Gib mir bitte das Holzschwert, Tristan.«
Ilgar wirkte verunsichert und Katmar schien das ausnutzen zu wollen, um die Situation zu entschärfen. Er legte seinem Bruder beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Lass gut sein, Ilgar.«
Doch das schien Ilgar erst recht wieder aufbegehren zu lassen. Er schüttelte Katmars Hand ab und rief: »Feige? Ihr nennt mich feige? Ich wollte dem Burschen nur vor Augen führen, wie viel er noch zu lernen hat, damit er seine Nase nicht zu hoch trägt wie sein Vater.«
Gerade hatte Tristan Martin sein Schwert überreichen wollen, doch nun geriet er außer sich. Wild sprang er auf Ilgar zu, vorbei am überraschten Martin, und zielte mit einem Stoß auf Ilgars Mitte. Doch der ließ ihn ins Leere laufen und schwang den Morgenstern, der nur knapp über Tristans Kopf hinwegpfiff. Und Ilgar griff sofort weiter an, Tristan war nur noch damit beschäftigt, der hin- und her zischenden
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