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Verschollen

Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Benne
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stehen.
    Zurückrennen kam nicht infrage, sie mussten weiter, hoffen, eine Kreuzung zu finden, ehe sie den vor ihnen trommelnden Ogern in die Hände fielen. Martin packte Vinjalas Hand und zog sie mit sich. »Weiter, wir schaffen es.«
    Bum-Bum-Bum.
    Tristan fühlte, wie sein Herz raste. Er schwitzte nicht nur vom Laufen, sondern vor allem vor Angst, erwartete, jeden Moment Oger aus der Dunkelheit vor ihnen auf sie einstürmen zu sehen. Sie kamen in eine Halle, in die zwei weitere Gänge mündeten, einer bergauf, einer bergab. Stille umfing sie. Gerade hatte er die nächsten Trommelschläge noch gefürchtet, jetzt sehnte Tristan sie herbei. Er hoffte, sie würden aus dem Gang nach unten kommen, damit sie nach oben fliehen konnten und nicht wieder tiefer hinab in das Labyrinth steigen mussten.
    Bum-Bum-Bum.
    Das kam aus dem Gang, aus dem sie in die Halle gelangt waren. Aber die Antwort, woher würde die kommen? Es war, als würden sich die Sekunden zu Stunden dehnen, in denen sie unschlüssig herumstehen und warten mussten.
    Bum-Bum-Bum.
    Eindeutig aus dem Gang nach unten, sie rannten aufwärts weiter. Der Gang war steil, doch sie hetzten mit frischen Kräften empor, denn ein Luftzug wehte ihnen entgegen. Klar und würzig roch er nach der langen Zeit, die sie in den modrigen Gängen verbracht hatten. Bum-Bum-Bum , hinter ihnen, furchbar nah. Tristan glaubte zu spüren, wie der Boden unter seinen Füßen erzitterte, doch er wagte nicht zurückzublicken.
    »Da!«, rief Darius aus, der an der Spitze lief. Tristan blickte auf. Licht, Tageslicht! Unbändige Freude überkam ihn. Bum-Bum-Bum, noch war es nicht geschafft. Und vor ihnen bauten sich die Schatten von zwei Ogern in dem größer werdenden Lichtkreis auf, der den Ausweg aus der Dunkelheit markierte. Doch der eine erstarrte Sekunden später unter Tristans Zauber zu Stein, während der andere schmerzerfüllt grunzte, als ein Blitzstrahl von Darius ein Loch in seinen Brustkorb brannte. Noch während der Oger fiel, stürmten sie an ihm vorbei ins Freie. Hektisch sahen sie sich um, doch es waren keine weiteren Wächter zu sehen.
    Bum-Bum-Bum. Aber hinter ihnen kamen welche.
    Tristan und sein Vater sahen einander an. »Was ist mit Rani?«, fragte Tristan atemlos. »Sie ist noch da drin.«
    Bum-Bum-Bum, erscholl es wie als Antwort aus dem Tunnel. Statt zu antworten, schoss Darius einen Blitz in die Decke des Ausgangs. Sie hatten keine Wahl, sah Tristan ein und feuerte ebenfalls. Kurz darauf brach der Tunneleingang mit lautem Getöse zusammen. Sie waren aus der Unterwelt entkommen.

 
     
     
    18
     
     
    FRISCHE LUFT, WIND IM HAAR, zwitschernde Vögel, Sonnenlicht, wenn auch nur wenig durch das Dach des Waldes drang, in dem sie herausgekommen waren. Tristan erschien das nach den langen Tagen in der Unterwelt wie das Paradies. Doch genießen konnte er es nicht. Simiur, Ilgar und Jessica waren umgekommen und Rani hatten sie auch noch zurücklassen müssen. Und gleichwohl der Tunnel verschlossen war, waren auch sie noch längst nicht in Sicherheit. Im dichten Wald konnten noch weitere Feinde lauern und wer wusste, wie nah der nächste Tunnelausgang war. Dennoch, für ein paar Minuten blieben sie in unmittelbarer Nähe des verschütteten Zugangs, um zu Kräften zu kommen.
    Tristan sah sich um. Bäume, überall hohe, reich belaubte Bäume. Der Boden war mit Moos und dicht wachsendem Farn bedeckt, der auch den Eingang zur Unterwelt schon beinahe erobert hatte. Man sah zwar die Spuren der Oger, die am Eingang alles niedergetrampelt hatten, aber es gab keine Straße, nicht einmal einen ausgetretenen Pfad. Dieser Ausgang war schon lange nicht mehr benutzt worden.
    Es roch herrlich, gierig sog Tristan die frische Luft in die Lungen. Die Sonne war nur schemenhaft durch das Blätterdach zu erkennen, stand aber recht hoch, es musste gegen Mittag sein. Als er an die Zeit dachte, wurde Tristan mulmig. Wie viele Tage hatten sie in den Tunneln verbracht, wie viele blieben Svenja noch?
    Darius war einige Schritte den Hügel hinauf geklettert, in dessen Flanke der Tunnel gehauen worden war. Nun kam er zurück.
    »Konntest du etwas sehen? Hast du eine Ahnung, wo wir sind?«, fragte Martin.
    Darius schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Der Wald ist sehr dicht, auch oben auf dem Hügel sieht man nichts als Bäume.«
    »Wohin sollen wir uns wenden?«, fragte Vinjala. Erst jetzt, im Sonnenlicht, fiel Tristan auf, wie schlecht sie aussah. Die Augen eingesunken, die Haut blass, das Haar verfilzt.

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