Verschollen
Wohnzimmer ging und im Vorbeigehen einige Fransen des Teppichs geraderichtete, der den größten Teil des Bodens bedeckte.
Er schüttelte den Kopf. Eigentlich war es Wahnsinn, wieder hier zu wohnen, dachte er. Als würde er förmlich um Schwierigkeiten betteln. Zur gleichen Zeit konnte er sein Grinsen nicht unterdrücken, als er kurz darauf Olle Ivarsson mit einer Schürze um die Taille über den Küchentisch gebeugt sah. Er sah hochkonzentriert auf etwas, das wahrscheinlich ein Kochbuch war. Die leicht herabhängenden Schultern, die fast kahle Stelle hinten im Nacken, die nervöse, angestrengte Spannung, die er ausstrahlte, selbst wenn er regungslos dastand. Wie alt mochte er sein? Sechzig, fünfundsechzig? So alt wie Onkel Janne, wenn er noch leben würde. Und auch seine eigenen Erzeuger.
Ivarsson sah auf.
»Sie haben keine Familie, oder?«, fragte er, als hätte er die Gedanken des Jüngeren gelesen. »Ich meine, es hat kein anderer abgenommen, wenn ich angerufen habe, deswegen habe ich es vermutet.«
John Nielsen stand eine Weile still da.
»Was heißt schon Familie«, sagte er schließlich. »Wir sind auf jeden Fall zu zweit in dem Haushalt.«
»Ach ja?«
»Ich habe einen Hund«, erläuterte er, als er den fragenden Blick sah.
Olle Ivarsson betrachtete ihn einen Moment lang schweigend.
»Einen Hund«, sagte er dann und schüttelte den Kopf. »Bringt das nicht einen Haufen Schwierigkeiten? Für jemanden wie Sie, der so häufig unterwegs ist? Was machen Sie dann mit ihm?«
»Hundepension. So etwas gibt es tatsächlich, wussten Sie das nicht? Das Hilton der Hunde. Wenn ich weg bin, geht es ihm so gut wie nie.«
Ivarsson schnaubte.
»Pension? Ja, ich habe ganz eindeutig den falschen Körper auf dieser Reise hier gewählt.«
Er zwinkerte mit den leicht hervorstehenden Augen.
»Ja, ich bin nie ein wirklicher Tierfreund gewesen. Heutzutage kann man ja kaum einen Schritt tun, ohne in Hundescheiße zu treten, finde ich. Nein, ich habe nie einen Grund gesehen, mir ein Tier anzuschaffen. Meiner Ansicht nach bringt das nur eine Menge Ärger.«
John Nielsen lehnte sich an den Türrahmen und fixierte ihn. »Sagen Sie das nicht. Sie könnten ihm ja beibringen, Ihre Teppiche gerade zu rücken.«
Olle Ivarsson hielt seinem Blick stand und schwieg. Dann beugte er den Kopf, der magere Körper zuckte plötzlich vor unterdrücktem Lachen.
»Sie sind ein verteufeltes Scheusal, wissen Sie das?«
Sie hatten den Fischauflauf aufgegessen, den Ivarsson zubereitet hatte, ohne seinen Blick auch nur ein einziges Mal vom Kochbuch zu lösen, als ginge es darum, das Rezept auswendig zu lernen.
Nun schob er den Teller von sich, lehnte sich nach hinten und betrachtete Nielsen grüblerisch.
»Ich habe da über eine Sache nachgedacht«, sagte er. »Hat sich auf Ihren Artikel letzten Frühling irgendjemand bei Ihnen gemeldet?«
John Nielsen nickte.
»Sicherlich, einige. Eine kunterbunte Gruppe. Aber Sie denken wohl an jemanden, den man direkt mit dem Geschehen in Zusammenhang bringen kann.«
Er starrte vor sich hin.
»Ich habe mir da auch so meine Gedanken gemacht. Aber, nein. Da fiel mir keiner weiter auf. Keiner, der übergeschnappter gewesen wäre als die anderen. Keiner, der gestanden hat, hierfür oder für den Mord an Palme verantwortlich zu sein. Einige wollten wissen, was ich von der ganzen Sache hielte, andere wollten nur reden. So ein aufgeblasener Typ wollte wissen, wie ich arbeite, welche Quellen ich benutze, ob ich zu diesem Fall eine besondere Verbindung hätte...«
»Hatten die Namen, diese Anrufer?«, unterbrach ihn Ivarsson.
John Nielsen sah ihn an.
»Natürlich, ich versuche immer, den Namen rauszukriegen, bei solchen Gesprächen. Wenn es möglich ist.«
Olle Ivarsson wartete. Als Nielsen nicht fortfuhr, zuckte er mit den Achseln. »Bitte nehmen Sie einen Rat an. Wenn Sie daran gedacht haben, sich diese Anrufer genauer anzusehen, dann schnüffeln Sie bloß nicht zu eifrig auf eigene Faust. Das könnte in diesem Fall nicht so angebracht sein.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte ihn Nielsen.
Olle Ivarsson rieb sich das Kinn.
»Jemandem, der in wenigen Sekunden aus einem stattlichen Mann beinahe das Leben herausprügeln kann, sollte man vielleicht nicht allzu nahe kommen. Als Privatperson, meine ich. Wenn Sie auf etwas stoßen, rufen Sie um Himmels willen sofort bei uns an.«
Nielsen nickte.
»Selbstverständlich. Keine Sorge. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass eine unmittelbare Gefahr besteht.
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