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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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abwarten, um sie fortzubringen, in der Zeit zwischen zwei und vier Uhr. Er hatte so gut wie aufgehört, die Apparate abzuhören. Hatte das Gefühl, es nicht mehr zu benötigen. Das Wichtigste war jetzt, wie er sich verhielt, wie er das Geschehen steuerte. Das Moment der Ungewissheit spornte ihn an, forderte seinen Einfallsreichtum heraus.
    Er aß in einem Restaurant, das sich in einem anderen Viertel befand. Es hatte während der letzten Jahre einige Male den Besitzer und den Namen gewechselt, und voraussichtlich auch die Kundschaft. Nicht dass dies irgendeine Bedeutung hatte, keiner würde ihn wiedererkennen. Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, ein und denselben Ort nur sporadisch, mit langen Zwischenräumen aufzusuchen. Das galt für fast alles in seinem Leben. Der Park war die einzige Ausnahme. Bei den Schwachköpfen. Dort fühlte er sich in gewisser Hinsicht immer sicher, entspannt. Es hatte beinahe etwas von einem Heimatgefühl.
    Auf einmal ertappte er sich dabei, wie er darüber sinnierte, wie sie wohl heute aussehen würde. Die Stimme würde dieselbe sein, er könnte sie aus Hunderten von anderen heraushören. Aber ihr Gesicht? Wie hätte sich das verändert?
    Ein plötzlicher Schmerz im Unterleib. Dieser glühende Speer, der durch seinen Körper getrieben wurde. Die Kellnerin war neben ihm aufgetaucht, stand lächelnd am Tisch und wartete. Für einen kurzen Augenblick war er wie versteinert und spürte, wie sich der Schmerz mit einer unsäglichen Wut mischte, ehe es ihm gelang, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Er entspannte seine Gesichtszüge und Muskeln, versuchte, locker werden. Machte sich undurchschaubar, unbedeutsam, verwechselbar. Er sah auf die Karte und runzelte ein wenig die Stirn, so als würde er überlegen, mit sich selbst beratschlagen. Schließlich zeigte er aufs Geratewohl auf eines der Gerichte und erwiderte im selben Moment das Lächeln der Kellnerin.
    Er musste sich beherrschen, durfte sich von nichts und niemandem beeinflussen lassen. Es war wichtig, dass er in sich ruhte, sich leicht und geschmeidig bewegte.

3
    Olle Ivarsson verblüffte ihn immer wieder aufs Neue. Keine Spur von dem zugeknöpften, missbilligenden Wesen, als er ihn unversehens anrief und ihm mitteilte, dass er sich in Stockholm befände und ihn gerne treffen würde. »Morgen? Gegen elf, vor dem Hauptbahnhof. Dann können wir reden.«
    Auch als sie sich trafen, schien er bester Laune zu sein, beinahe überschwänglich. Mit breitem Grinsen kam er auf Nielsen zu. »Wollen wir zu Mittag essen?«, sagte er. »Ich lade Sie ein.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und ging in die Ankunftshalle auf das Bahnhofsrestaurant zu, das so kurz vor der Mittagszeit noch sehr spärlich besetzt war.
    An der Theke schien er Teile seines alten Ichs zurückzugewinnen. Missmutig nörgelte er über die erhöhten Preise und stocherte mit offensichtlichem Misstrauen in seinem Salat herum. »Ich würde verdammt noch mal gerne wissen, wie es hier in der Küche aussieht«, sagte er, nachdem er einige Zutaten hochgehoben hatte, die nicht seine Gnade gefunden hatten.
    »Das sollten Sie besser nicht«, sagte John Nielsen und nahm einen Schluck des Bieres, mit dem er sich begnügte. »Nicht mit Ihren Ansprüchen.«
    Er lachte und prostete Olle Ivarsson zu, der ihm einen säuerlichen Blick zuwarf, ehe er skeptisch einen Bissen probierte.
    »Sie wollten mir etwas erzählen?«, fragte Nielsen.
    Ivarsson sah ihn mit einem fragenden Blick an, ehe er sich zu erinnern schien und nickte. »Ja, natürlich«, erwiderte er. »Der Wagen wurde gefunden. Ragnarssons. Der ihm gestohlen wurde.«
    »Wo?«
    »In einer Kiesgrube in der Nähe von Enköping. Es war nicht so viel von ihm übrig. Und auch nichts drin, übrigens. Außer ein paar Kanülen und Abfall. Der ist offenbar durch einige Hände gewandert, ehe er dort gelandet ist.«
    Erneut wandte er sich dem Salat zu, aß vorsichtig weiter. Nielsen wartete ungeduldig einen Moment.
    »Nichts anderes?«, fragte er dann. »War die Spurensicherung denn nicht da?«
    Olle Ivarsson sah auf. »Selbstverständlich. Aber es hatte nicht die allerhöchste Priorität. Autodiebstähle sind ja an der Tagesordnung. Selbst wenn in diesem Fall zugegebenermaßen besondere Umstände vorlagen.«
    Er machte eine kurze Pause.
    »Sie denken an Fingerabdrücke, nehme ich an. Eine Menge, die offenbar Ragnarsson gehören. Und einige andere. Ein paar konnten sie identifizieren. Ein Kleinkrimineller, knapp zwanzig

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