Verschollen
Prothese. »Man hat nichts davon gemerkt.«
»Ich hatte genug Zeit zum Trainieren«, erwiderte Nielsen. »Außerdem habe ich noch das Kniegelenk. Das macht einiges leichter.«
»Wie ist das denn passiert?«
Nielsen strich sich übers Knie. »Ein Autounfall«, sagte er. »Ich war dreiundzwanzig. Vor achtzehn Jahren. Trunkenheit am Steuer.«
Er schwieg eine Weile.
»Es hätte schlimmer kommen können«, sagte er dann. »Außer mir nur ein Verletzter. Der Fahrer.«
Bernt Larsson legte den Kopf auf die Seite. »Ach, verdammt«, sagte er.
»Obwohl ich gar nicht wieder aufwachen wollte«, fuhr Nielsen fort. »Damals nicht. Es hätte keine Rolle mehr gespielt, fand ich.«
Bernt Larsson sah ihn scharf an, der Blick seiner grauen Augen hatte etwas Suchendes. Dann wandte er sich ab und schüttelte den Kopf.
»Sie wollten sich umbringen?«
Nielsen zuckte mit den Schultern.
»In diesem Fall, ganz schön dämlich«, fuhr Bernt Larsson fort. »So etwas macht man in nüchternem Zustand.«
»Haben Sie damit etwa Erfahrung? Dann wissen Sie ja, wovon Sie da reden«, meinte Nielsen nur darauf und grinste. Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort. »Ich kann mich eigentlich kaum an die Zeit, an diese Jahre erinnern.«
»Von welchen Jahren sprechen Sie?«
»Grob gerechnet, von der Wiege bis heute.«
Er erhob sich und ging suchend im Zimmer herum. Blieb stehen und sah aus dem Fenster.
»Und Tjarrko?«, sagte er nach einer Weile und ließ die Frage in der Luft hängen.
Bernt Larsson schüttelte bedauernd den Kopf. »Da war nichts mehr zu machen. Seine Kehle war durchtrennt. Aber er hat vermutlich nicht leiden müssen. Es wird zu schnell gegangen sein. Ich habe ihn nach draußen gelegt unter eine Plastiktüte. Damit Sie entscheiden können, was Sie machen wollen.«
Er schwieg für einen Moment.
»Er muss ihn zu sich gelockt und mit ins Haus genommen haben. Er wollte wohl, dass Sie nach ihm suchen. Oder was er sich auch immer dabei gedacht hat.«
Nielsen starrte vor sich hin. Er spürte eine unendliche Leere und zugleich eine unbeschreibliche Wut in ihm wachsen. Er wusste nicht, was er nun zu tun hatte. Was machte man mit einem toten Hund? Sollte er verbrannt oder begraben werden? Wandte man sich dafür an einen Tierarzt? Durfte man um ein Tier trauern?
»Ich bilde mir ein, dass ich ihn wiedererkannt habe. Dass ich ihn vorher schon einmal gesehen habe«, sagte er.
»Sie haben sein Gesicht gesehen?«, fragte Bernt Larsson.
Nielsen schüttelte den Kopf. »Nur undeutlich. Von unten. Ich lag auf dem Boden.«
Er sah den anderen an.
»Wir werden niemals erfahren, warum er das Ganze inszeniert hat«, fuhr er nach einer Weile fort. »Wir werden auch niemals erfahren, was wirklich geschehen ist. Nichts von all dem. Wir kommen nicht mehr weiter, wissen Sie das?«
Bernt Larsson schwieg lange.
»Und das ist auch richtig so«, sagte er schließlich mit leiser Stimme.
»Jetzt muss Schluss damit sein. Keine Suche mehr, es reicht.«
Nielsen sah ihn an. »Und Kennet Eriksson? Und Olle Ivarsson?«
Bernt Larsson drehte sich um, und sein Blick streifte ihn. »Ich weiß es nicht. Aber was Ivarsson anbelangt... Ja, ehrlich gesagt, hält sich mein Interesse für ihn in Grenzen. Sollte er nicht mehr auftauchen, werde ich dem Schicksal dankbar sein.«
Nielsen sah ihn prüfend an. »Was ist da eigentlich zwischen Ihnen und Ivarsson vorgefallen? Finden Sie nicht, dass es jetzt an der Zeit ist, damit herauszurücken?«
»Das geht Sie nichts an«, sagte Larsson scharf. »Oder jemanden anderen. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir, wie Sie ganz richtig sagten.«
Dann machte er ein paar Schritte, schien mit sich zu hadern. »Aber ich kann Ihnen wenigstens einen Hinweis geben. Dann müssen Sie keine schlaflosen Nächte mehr verbringen. Es ist sehr lange her, zumindest begann es damals. Warum, glauben Sie, hat er zum Beispiel den Jungenfußball geleitet? Was hat er wohl gemacht, wenn er einen von ihnen zur Seite nahm und sagte, dass er ihn hinterher noch sprechen müsse? Oder warum kam er zu einem, der spät dran war, in die Dusche, nachdem die anderen schon gegangen waren?«
John Nielsen starrte ihn verblüfft an, schüttelte den Kopf. »Wollen Sie damit sagen, dass Ivarsson ein Pädophiler war?«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Er mochte kleine Jungen und junge Männer, so kann man es auch sagen. Und dagegen habe ich gar nichts einzuwenden. Die Leute können machen, was sie wollen. Solange sie mich in Frieden lassen.«
»Und
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