Verschwiegen: Thriller (German Edition)
ist mit dem Pass? Deinen musstest du abgeben, du erinnerst dich.«
»Ich besorg mir irgendwie einen neuen.«
»Und wie?«
Laurie kam heran, setzte sich auf den Fußboden neben das Bett und strich ihm über das Haar.
»Er würde sich einfach über die Grenze nach Kanada absetzen und sich dort einen kanadischen Pass besorgen.«
»Hm. Ich bin nicht sicher, dass das so einfach ist, aber meinetwegen. Und was würdest du in Buenos Aires anfangen? Immerhin wissen wir schon, dass es in Argentinien liegt.«
»Tango tanzen«, meinte Laurie. Sie hatte feuchte Augen.
»Kannst du Tango tanzen, Jacob?«
»Nicht richtig.«
»Er meint, so richtig kann er’s nicht.«
»Damit meine ich, ich kann’s gar nicht«, erwiderte er lachend.
»Dann kannst du in Buenos Aires Stunden nehmen, oder nicht?«, schlug Laurie vor. »Da kann jeder Tango tanzen.«
»Aber du brauchst jemanden, mit dem du tanzen kannst.«
Er lächelte schüchtern.
»Buenos Aires ist voller wunderschöner Frauen, die Tango tanzen. Wunderschöner, geheimnisvoller Frauen, und Jacob kann sich eine aussuchen.«
»Stimmt das, Dad? Dass Buenos Aires voll schöner Frauen ist?«
»Das sagt man.«
Er legte sich aufs Bett zurück und verschränkte die Hände unter dem Kopf. »Das klingt immer besser.«
»Und was machst du, wenn du Tango kannst?«
»Zur Schule gehen, nehme ich mal an.«
»Dafür zahle ich auch?«
»Klar.«
»Und wenn du die Schule abgeschlossen hast?«
»Keine Ahnung. Vielleicht werde ich Anwalt, so wie du.«
»Meinst du nicht, du solltest dich vielleicht ganz im Hintergrund halten? Du bist flüchtig, weißt du?«
Laurie antwortete an seiner Statt. »Nein. Das gerät alles in Vergessenheit, und er wird in Argentinien an der Seite einer wunderschönen, Tango tanzenden Frau ein langes, glückliches Leben führen und ein großer Mann werden.« Sie kniete sich hin, damit sie ihn anschauen konnte, und strich ihm weiter über das Haar, während er auf dem Bett lag. »Er wird Kinder haben, und die werden ihrerseits Kinder haben, und er wird viele Leute glücklich machen, und niemand wird glauben können, dass es in Amerika einmal Leute gab, die von ihm furchtbare Sachen behauptet haben.«
Jacob schloss die Augen. »Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, morgen wieder vor Gericht zu stehen. Ich will nicht mehr.«
»Jake, ich weiß. Bald ist alles vorüber.« Ich legte meine Hand auf seine Brust.
»Genau davor habe ich Angst.«
»Ich kann auch nicht mehr«, meinte Laurie.
»Bald ist es vorbei. Wir müssen nur noch ein bisschen durchhalten.«
»Dad, du würdest mir das sagen? Das von vorhin? Falls es für mich an der Zeit ist, zu …«
Er nickte mit dem Kopf Richtung Tür.
Ich nehme an, ich hätte ihm damals die Wahrheit sagen sollen. So läuft das nicht, Jake. Es gibt keinen Ort, an den du dich flüchten kannst . Aber ich tat es nicht. Stattdessen sagte ich: »Mach dir keine Sorgen. Wir werden den Prozess gewinnen.«
»Nur falls.«
»Falls. Klar, ich würd’s dir sagen, auf jeden Fall.« Ich strubbelte ihm durch das Haar. »Lass uns schlafen gehen.«
Laurie gab ihm einen Kuss auf die Stirn und ich ebenfalls.
»Vielleicht kommt ihr ja auch mit nach Buenos Aires. Wir könnten einfach alle gehen«, schlug er vor.
»Können wir da immer noch was vom Chinesen kommen lassen?«
»Klar, Dad«, grinste er. »Wir lassen es einfliegen.«
»Okay. Ich hatte schon ganz kurz Zweifel, ob dein Plan realistisch ist. Jetzt schlaf schön. Morgen ist wieder ein wichtiger Tag.«
»Hoffentlich nicht«, meinte er.
Als Laurie und ich im Bett lagen, meinte sie flüsternd: »Ich war so froh wie schon lange nicht mehr, als wir eben über Buenos Aires gesprochen haben. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich zum letzten Mal gelächelt habe.«
Doch ihre Zuversicht war am Schwinden, denn nur einen Moment später lag sie auf der Seite und fragte mich wispernd: »Was ist, wenn er nach Buenos Aires geht und dort jemanden umbringt?«
»Weder wird er nach Buenos Aires gehen, noch wird er dort jemanden umbringen. Auch hier hat er niemanden umgebracht.«
»Ich bin da nicht so sicher.«
»Das darfst du nicht sagen.«
Sie wandte ihren Blick ab.
»Laurie?«
»Was ist, wenn wir uns täuschen, Andy? Was ist, wenn er freikommt und dann – Gott bewahre – wieder jemanden umbringt? Haben wir nicht eine Verantwortung?«
»Laurie, es ist spät, und du bist völlig erschöpft. Wir reden ein anderes Mal darüber. Denk nicht mehr weiter daran. Du machst dich
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