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Verschwoerung der Frauen

Verschwoerung der Frauen

Titel: Verschwoerung der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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leicht herablassend, wie ich hoffte.
    »O ja«, sagte die Vermieterin. »Sie bekommt Anfälle.
    Dann wird sie ganz sonderlich, wirklich sonderlich. Nun, jetzt sind Sie ja da und können sich um sie kümmern. Ihre Enkelin, habe ich recht?«
    Ich ging, weil Gabrielle es so wollte, aber mit düsteren Vorah-nungen, die während der ganzen Nacht und auch am folgenden Morgen kein Appell an meine Vernunft beschwichtigen konnte.
    Am nächsten Tag ging ich so früh zu Gabrielle, daß es schon beinahe unhöflich war. Die Vermieterin wartete bereits auf mich.
    »Sie lag auf der Erde. Das Mädchen und ich haben sie ins Bett gehoben. Wie wir’s geschafft haben, weiß ich beim besten Willen nicht. Sie wollte keinen Arzt, und sie will nichts trinken. Nur mit Ihnen will sie sprechen. Sie wollte, daß das Mädchen Sie holt. Aber ich weiß ja nicht, wo Sie wohnen, woher sollte ich denn? Wie auf Kohlen hab’ ich gesessen, daß Sie endlich kommen!«
    Sie machte Anstalten, mit mir in Gabrielles Zimmer zu gehen, aber ich schob sie zurück und schloß die Tür. Gabrielle war blaß und sah krank aus. Sie atmete in kurzen Stößen, und meine entsetzten Ohren meinten, bei jedem Atemzug ein Rasseln, ein Röcheln zu hören. Sie zog mich am Ärmel und signalisierte mir, mich auf die Bettkante zu setzen.
    »Ich habe es der Vermieterin aufgeschrieben, schon lange vorher.
    Gestern abend mußte ich nur noch Ihren Namen einsetzen. Gehen Sie nicht ohne die Papiere. Dort sind Taschen. Packen Sie die Papiere hinein.« Sie deutete auf eine Tasche neben ihrem Stuhl. Ich sah, daß sie schon angefangen hatte, die Papiere hineinzupacken, wahr-63

    scheinlich gestern abend. Sie hatte sich überanstrengt und war zu-sammengebrochen.
    »Sie sind doch erst Sechsundsechzig«, sagte ich, so als wollte ich sie anflehen, ihre Arithmetik und damit ihre Krankheit neu zu überdenken. Sie ignorierte mich.
    »Packen Sie alles zusammen«, sagte sie nur. »Und nehmen Sie die Papiere heute abend mit. Lassen Sie sich ein Taxi rufen. Geben Sie allen genug Geld, viel Geld. Der Vermieterin, dem Mädchen, dem Taxifahrer. Für Geld tun die alles, was Sie wollen. Hier.«
    Sie zog an ihrem Rock, um mich, wie ich schnell verstand, auf ihre Tasche hinzuweisen. Von ihr ermuntert, faßte ich hinein und zog ein dickes Bündel Banknoten heraus. Zu der Zeit war England noch nicht zum Dezimalsystem übergegangen. Ich erwähne das hier, weil das alte englische Geld eine besondere Magie besaß; es wirkte wie Spielgeld auf mich, der Stoff, aus dem die Träume sind, etwas, was die neuen Pfundnoten niemals sein können.
    Ich nickte zustimmend.
    »Bringen Sie sie irgendwohin«, sagte sie. »Vielleicht in ein anderes Land. Ich hab’ das Geld nicht! Haben Sie es?« Sie war jetzt völlig verwirrt und aufgeregt. Ich sagte ihr, ja, ich hätte das Geld, daß ich die Papiere irgendwo in einer sicheren Bank deponieren würde, vielleicht in der Schweiz – in meiner eigenen Verwirrtheit bildeten die Schweiz und sichere Banksafes plötzlich eine unverbrüchliche Einheit. Ich sagte ihr, ich würde die Papiere in einem großen Schließfach, einem Safe, wie ich es anscheinend unbedingt nennen mußte, verwahren. »Tun Sie es jetzt gleich. Packen Sie alles zusammen. Ich will Ihnen zusehen.«
    Und ich packte ihre Papiere zusammen. In den folgenden Jahren habe ich die Szene immer und immer wieder durchgespielt, mich selbst dabei beobachtet, wie ich die Papiere einsammelte und in den Leinentaschen verstaute, die Gabrielle besorgt hatte. Schon während ich es tat, kam ich mir vor, als spielte ich eine Szene in einem Kriegsfilm, verzweifelt arbeitend, die Gestapo im Nacken, die jeden Moment einzudringen drohte. Aber es gab keine Gestapo. Die Vermieterin hätte für das Geld, das ich ihr zusteckte, alles getan. Sie konnte sehen, daß ich nicht vorhatte, ihre Möbel abzutransportieren, und was lag ihr schon an irgendwelchen Papieren? Sie war entzückt, an dem Drama teilzuhaben. Später wurde mir klar, daß ich es auch mit einer jener moralischen, gesetzestreuen Engländerinnen hätte zu tun haben können, die die Polizei gerufen hätte, damit alles seine 64

    Ordnung hat. Nie zuvor oder danach in meinem Leben war ich so dankbar für Verrat. Wie sollte sie wissen, daß ich Gabrielle nicht ausraubte, sie nicht um ihren wertvollsten Besitz brachte? Gewiß, Gabrielle wirkte einverstanden mit meinem Tun, aber inzwischen atmete sie noch schwerer und hatte ihre Augen fast ständig geschlossen, außer für kurze Momente,

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