Verschwoerung der Frauen
alle außer Ihnen. Ich habe ihr gesagt, daß sie Sie hereinlassen soll.
Um die Wahrheit zu sagen, bis Sie hier waren, wußte ich nicht, ob Sie kommen würden oder vielleicht Nellie. Ich bin froh, daß Sie’s sind. Nellie muß ihren eigenen Weg gehen.«
Ich weiß nicht, warum mich diese Unterstellung, ich hätte keinen eigenen Weg zu gehen, nicht beleidigte. Zum Teil, weil es stimmte.
Ich spielte größeres Interesse, oder zumindest größeres Engagement, für die Verlagswelt vor, als ich in Wirklichkeit hatte. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, mich erwarte eine Bestimmung. Vielleicht war sie genau hier.
»Sind das Foxx’ Briefe?« fragte ich.
»Einige. Die meisten sind meine – Briefe, die ich ihm über lange Jahre hinweg jeden Tag schrieb; in denen ich meine Gedanken, Sehnsüchte, meine Phantasien, meistens sexuelle, niederschrieb –
erzählte, wie ich mir ausmalte, ihn zu erregen und mich an wilde, verwegene Dinge erinnerte, die ich in Wirklichkeit nie getan hatte.
Ihm war es lieber, ich schrieb diese Dinge auf, als daß ich sie tat. Er sagte, von allen Frauen, denen er begegnet sei, hätte ich die größte Vorliebe für die Missionarsstellung. Nun, sie ist ja schließlich auch die bequemste.«
»Aber Sie waren doch so selten voneinander getrennt.« Ich hatte alle Biographien gelesen, die es gab. Über alles, was Foxx, sein Leben und seine leidenschaftliche Heldin betraf, war ich bestens informiert. All die outré sexuellen Praktiken, die er seiner Heldin 61
abverlangte – Praktiken, die sie mit leidenschaftlicher Hingabe und Lust vollführte, kamen mir in den Sinn. Ich versuchte, sie in Zu-sammenhang mit dieser großen Frau zu bringen, die mir in Filzpantoffeln und Strickjacke gegenübersaß.
»Wir waren nie getrennt. Er schleppte mich durch ganz Europa.
Er sagte, ich sei seine Muse. Ha! Ich schrieb jeden Tag in meinem Zimmer. Er schloß mich ein. Er ließ mich nicht einmal zu dem Baby, wenn es schrie. Also lernte ich, sehr schnell zu schreiben.«
»Und dies sind die Briefe?«
»Ja. Das meiste sind Briefe. Ich kann mich kaum dazu bringen, sie noch einmal zu lesen. Ich habe schon erwogen, sie zu verbrennen.«
»Sie verbrennen! Oh, das dürfen Sie nicht. Das wäre ein Sakrileg.«
»Warum?« forderte sie. »Sagen Sie, warum!«
Ich wußte, daß ich jetzt nicht schweigen oder zögern durfte. Daß ich kein falsches Wort sagen durfte. »Weil es die Worte einer Frau sind«, sagte ich. »Es sind Ihre Worte! Warum sollte die Welt glauben, es seien seine?«
Ich hatte das Richtige gesagt. Später fragte ich mich, ob jene ihr abgerungenen Worte wirklich ihre eigenen waren, oder, wie die Worte masochistischer Frauen in Pornoromanen, im Grunde Män-nerphantasien: Die Frauen sagten, was Männer von ihnen hören wollten, spielten Gefühle vor, die Männer von ihnen wollten. Aber davon erwähnte ich nichts. Es war ja gut möglich, daß Gabrielle nicht nur ihre sexuellen Phantasien niederschrieb, sondern ihre Gedanken, Sehnsüchte und verborgenen Hoffnungen. Schließlich hatte Foxx’ Heldin große Sehnsüchte, männliche Träume, sogar über die Liebe zu Frauen.
Aus irgendeinem Grund mußte ich in jenem Augenblick an Dorinda denken, an ihre wilde Mädchenzeit, ihren unstillbaren Erfah-rungshunger (zumeist sexuellen) und an die Konventionen, in die sie sich schließlich selbst eingekerkert hatte. Ihre Hochzeit war in der Tat ein Aufnahme-Ritual gewesen, eine Initiation ins wohlanständige Frauenleben. Warum hatte ich es damals nicht so gesehen?
»Trinken Sie noch einen Tee«, sagte Gabrielle. Während sie zum Kessel schlurfte – ihre Filzpantoffeln waren zu groß –, spürte ich, daß sie überlegte, wie es weitergehen sollte. Dann hatte sie offenbar einen Entschluß gefaßt. Ich solle morgen wiederkommen. Zum Tee.
Dann würden wir weitersprechen.
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Und so, ohne meine versprochene weitere Tasse Tee, wurde ich entlassen. Gabrielle entfernte sich vom Kessel, aber ihr Gesicht war freundlich. Sie lächelte. Ich wollte noch nicht gehen, aber mir blieb keine andere Wahl. Ich erhob mich, meinen Mantel hatte ich die ganze Zeit nicht ausgezogen, griff nach meiner Handtasche und ging durch die Tür, die sie mir aufhielt. Ich wollte bleiben, aber mir fiel kein Grund dafür ein.
»Bis morgen«, sagte ich.
»Bis morgen«, antwortete sie und winkte mir kurz nach, ehe sie die Tür wieder schloß.
Die Vermieterin wartete auf mich. »Geht’s ihr besser?« fragte sie.
»War sie denn krank?« antwortete ich,
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