Verschwoerung der Frauen
arbeitete, und nicht nach 195 5, als Anne Gabrielle besuchte und ihre Papiere in Sicherheit brachte.
Meiner Vermutung nach wurde der größte Teil in den dreißigern und vierzigern geschrieben, vielleicht mit Unterbrechungen während des Krieges, vielleicht auch nicht. Und möglicherweise hat Gabrielle das Manuskript Anfang der fünfziger in London überarbeitet. Wie war noch einmal deine Frage?«
»Kate, du redest von Minute zu Minute blumiger und zusam-menhangloser. So bist du oft, wenn deine Fälle kurz vor einer Lö-
sung stehen. Aber ich habe noch nie erlebt, daß du so konfus bist, wenn es nur um eine literarische Frage geht. Entschuldige, das nur nehme ich zurück. Also: wenn es um eine literarische Frage geht.
Meine Frage war, was an dem Roman verstört dich so?«
»Gute Romane sollen einen ja verstören! Na gut, ich halte mich an diesen. Aber verfall jetzt bitte nicht in deine Strafverteidiger-Manier und spring auf und mach Einwände, sowie ich nur den Mund öffne.«
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»Das tun nicht nur Strafverteidiger«, sagte Reed milde. »Erzähl weiter.«
»Wie dir vielleicht aufgefallen ist, schützt mich die Tatsache, daß ich Feministin bin – oder zumindest gelegentlich andeute, daß das Patriarchat nicht die herrlichste, gottgegebene und vollkommenste aller Lebensformen ist –, selbst in diesen mehr oder weniger feministischen Zeiten nicht vor Angriffen oder davor, ins Lächerliche gezogen zu werden. Und mir ist auch klar, daß Gabrielle sich keinerlei Illusionen machte: Wenn sie etwas so Radikales, so Revolutionäres wie ihren Roman veröffentlichte, dann würde man sie schlimmsten-falls attackieren und bestenfalls ignorieren. Wäre sie nicht Emmanuel Foxx’ Frau gewesen, hätte sie ihn vielleicht veröffentlichen und hoffen können, zu Lebzeiten ignoriert und später neu entdeckt zu werden. Aber so, wie die Dinge lagen, wußte sie, daß man sie zur Kenntnis nehmen würde, und sei es auch nur, weil ihr Roman sich so deutlich auf den von Foxx bezog. Vielleicht war sie nicht der Typ, der sich selbst gern in die Scheiße reitet, um es rüde auszudrücken.«
»Na, wenigstens ist es deutlich«, meinte Reed. »Aber das war damals. Wird man den Roman heute nicht in einem völlig anderen Licht sehen? Liegt seine Bedeutung nicht auf der Hand? Und da du keinerlei persönliche Verbindung zu Gabrielle hast – was könnte man dir anlasten?«
»Ich lehre Literatur. Und dieser Roman versucht, Emmanuel Foxx’ Meisterwerk in Frage zu stellen, ja, zum Teufel, es vom So-ckel zu schubsen. Noch schlimmer: Er schildert die klassische Moderne als männerzentriert und verlogen.
Und Urheberin des Ganzen ist ausgerechnet Foxx’ eigene Frau!
Mein Gott, Reed, Gabrielles Roman wird wahrscheinlich überall besprochen, bis hin zum ›People‹-Maga-zin. Ich hör jetzt schon all die Kritiken. Verstehst du denn nicht?«
»Ich finde, du solltest ihn herausgeben. Mach Streichungen, wo nötig, schreib einen rasanten, aber eleganten Abriß ihres Lebens, laß die heiklen Punkte draußen und schick das Ganze los. Wenn Simon Pearlstine es nicht veröffentlichen will, dann findet sich bestimmt ein anderer Verleger. Gib ihm seinen Vorschuß zurück, den Teil, den du schon bekommen hast, und damit hat sich die Sache!«
»Aber will ich wirklich im Mittelpunkt eines entsetzlichen Wirbels stehen, einer akademischen und literarischen Debatte, die über Jahre andauern wird und neben der das endlose Gezeter, ob die Gouvernante in Henry James’ ›The Turn of the Screw‹ nun phantasiert 169
hat oder nicht, gar nichts ist?«
»Nun, das ist ein Problem, das ich mein keineswegs ereignisloses Leben lang erfolgreich umschifft habe. Ich gehöre nun mal zu dem Kreis Unbedarfter, die von den Wogen um Gabrielles Roman wahrscheinlich überhaupt nichts mitbekämen – wäre ich nicht zufällig mit dir verheiratet. Schon gut, ich weiß, darum geht es jetzt nicht. Hast du Angst, Kate? Steckt das eigentlich dahinter?«
»Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber ich gehöre zu den bescheidenen Menschen, bleibe lieber im Hintergrund.«
»Doch, es ist mir aufgefallen. Leute, die lieber im Hintergrund bleiben, ähneln meist Uriah Heep. Wie du siehst, kann auch ich mit literarischen Anspielungen um mich werfen.«
»Angenommen, ich gebe ihn nicht heraus.«
»Dann beweg jemand anderen dazu. Ich bin sicher, für so manchen hoffnungsvollen Jungakademiker wäre damit seine Karriere gemacht.«
»Ich müßte Anne und Dorinda und Nellie
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