Verschwörung im Zeughaus
Hände zu beschäftigen, griff sie nach dem Kräutersäckchen, das Mira auf dem Tresen zurückgelassen hatte, öffnete es und wog einen Teil des Krautes ab. Dann holte sie Dosen mit weiteren Ingredienzien aus dem Regal. Während sie die Kräuter abwog, sprach sie weiter: «Wir fragen uns noch immer, wie es überhaupt zu diesem Unglück kommen konnte. Weder mein Gemahl noch ich können uns vorstellen, dass Tilmann Clais van Dalen ermordet haben soll. Schon gar nicht wegen eines Amtes im Stadtrat.»
Reese wollte etwas sagen, doch Adelina redete rasch weiter: «Kann es nicht vielleicht sein, dass die beiden gemeinsam …» – sie suchte nach den rechten Worten – «… irgendeiner Angelegenheit nachgegangen sind?»
«Was für einer Angelegenheit?», fragte Reese verblüfft.
«Das weiß ich auch nicht. Uns kam nur der Gedanke, dass es ja einen Grund für den Mord geben muss. Wenn dieser aber nicht von Tilmann begangen wurde …»
«Was Ihr nicht sicher wissen könnt.»
«Wovon wir ausgehen», betonte Adelina, «müssen die Beweggründe andere sein. Und was würde mehr Sinn ergeben, als dass Tilmann und Clais irgendwelchen Machenschaften auf die Spur gekommen sind und dass einer der Beteiligten davon erfahren und Clais getötet hat? Vielleicht ist Tilmann deshalb verschwunden. Wenn er in Sorge um sein Leben ist, hält er sich vielleicht aus diesem Grund im Verborgenen.»
Überrascht, aber sichtlich nachdenklich legte Reese die Spitzen seiner Finger aneinander. «Ich weiß wirklich nicht, welche Machenschaften das sein sollten. Wenn die Hauptmänner irgendwelchen unrechtmäßigen Vorgängen auf der Spur gewesen wären, hätten sie zuerst mich aufsuchen müssen, um mich darüber in Kenntnis zu setzen.»
«Vielleicht wollten sie das ja noch tun oder …» Adelina zögerte. «Möglicherweise fürchteten sie auch, dass sie sich damit in Gefahr begeben würden – oder Euch einer Bedrohung aussetzen.»
«Frau Adelina, das sind nur Spekulationen, die jeglicher Grundlage entbehren.» Reese hob die Schultern. «So gern ich auch glauben möchte, dass Euer Bruder unschuldig ist – derzeit weist alles auf ihn als Täter hin. Ich habe keinerlei Kenntnisse von Nachforschungen seitens der Hauptmänner. Solange wir in dieser Hinsicht keine Anhaltspunkte vorweisen können, sind das nicht mehr als Vermutungen, die den Vogt nicht interessieren werden.»
«Das weiß ich.» Adelina legte den Löffel beiseite und gab das Gemisch aus der Waagschale in einen großen Mörser. «Deshalb haben wir uns auch gefragt, ob bei dem Ermordeten irgendwelche Gegenstände gefunden wurden.»
«Welche Gegenstände?»
Adelina dachte nach. «Irgendetwas Ungewöhnliches, vielleicht Schriftstücke, Geld?»
«Nein.» Bedauernd schüttelte Reese den Kopf. «Clais van Dalen trug lediglich seine Kleider am Leib und sein Schwert am Gürtel.»
«Sein Schwert?» Adelina hob den Kopf.
Reese nickte. «Ja. Er hat es nicht benutzt, und ein Kampf hat allem Anschein nach auch nicht stattgefunden, was bedeutet, dass derjenige, der ihn getötet hat, ihn überrumpelt haben muss.»
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5. KAPITEL
D as ist interessant», befand Jupp, als Adelina ihm und Neklas später von Reeses Besuch erzählte. «Van Dalen hat sein Schwert also nicht benutzt und sich auch nicht gegen seinen Mörder zur Wehr gesetzt. Daraus ergeben sich zwei wichtige Schlüsse.»
Adelina nickte. «Er kann es nicht gewesen sein, der Tilmann den Schwerthieb versetzt hat.»
«Und er muss seinen Mörder gekannt haben», ergänzte Neklas.
«Das grenzt den Kreis der Verdächtigen aber nicht sonderlich ein», gab Adelina zu bedenken. «Sowohl Tilmann als auch Clais sind in Köln bekannte Männer.»
«Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aus ihrem engeren Bekanntenkreis der Täter ist, erhöht sich damit aber», befand Jupp. «Es erscheint mir sinnvoll, an dieser Stelle weiter nachzuforschen. Vielleicht können die Soldaten, die Tilmanns Befehl unterstehen, uns Auskunft geben.»
«Aber werden wir den Mörder nicht warnen, wenn wir dort nachzufragen beginnen?» Adelina stand vom Tisch in der Küche auf, um den sie sich wieder einmal versammelt hatten. Sie ging hinüber in die Speisekammer und kam mit einem Krug Wein zurück, aus dem sie erst Jupp, dann Neklas in deren Becher eingoss. Sie hatte Magda aufgetragen, die oberen Wohnräume zu putzen. Franziska beaufsichtigte Vitus und die Kinder, die hinter dem Haus im Hof spielten. Griet und Mira kümmerten sich um die Apotheke
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