Verschwörung im Zeughaus
Wunden. «Viel hätte nicht gefehlt, und ich wäre Clais ins Jenseits gefolgt.»
Reese hob die Brauen, musterte die frischen Verbände, die Adelina und Franziska noch am frühen Morgen gewechselt hatten. «Messerstiche?»
«Ein Schwerthieb und ein Stoß mit meinem eigenen Dolch, wie ich leider zugeben muss», brummte Tilmann und ließ das Hemd wieder sinken.
«Ihr sagt, Ihr habt einen der Angreifer getötet?»
«So ist es.»
«Wir haben keine Leiche außer der von Clais van Dalen gefunden.»
«Man hat ihn fortgeschafft.» Tilmann zuckte die Achseln und verzog dabei das Gesicht.
«Wisst Ihr, wer die Männer waren?»
«Nein. Ich vermute, es waren Männer des Grafen van Wesel.»
«Müsstet Ihr die dann nicht kennen?» In Reeses Stimme hatte sich eine unüberhörbare Schärfe gemischt. «Da Ihr doch offenbar Umgang mit ihm gepflegt habt? Hat nicht van Dalen genau das entdeckt?»
Tilmann schnaubte verächtlich. «Wie ich eben schon sagte: Den Teufel hat er. Ich bin kein Verräter, Reese.» Dann blickte er zur Tür und sog zischend die Luft ein. «Was wollt Ihr denn hier?»
Mira war in die Küche getreten und starrte ihn mit einer Mischung aus Sorge und Verblüffung an. «Das wollte ich Euch gerade fragen, Hauptmann Greverode. Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Wie seid Ihr allein hierhergekommen?»
Seine Miene umwölkte sich. «Noch haben mich nicht alle meine Kräfte verlassen, Jungfer Mira. Auch wenn Ihr zu glauben scheint, dass ich ein kranker Tattergreis bin. Aber selbst in diesem Zustand bin ich noch fähig, den einen oder anderen Feind in die Flucht zu schlagen, merkt Euch das.» Er musterte sie abschätzend. «Nur Euch scheine ich nicht loszuwerden. Habt Ihr nichts Sinnvolles zu tun?»
Mira funkelte ihn erbost an. «Nein. Oder vielmehr doch, denn sinnvoll erscheint es mir, mit anzuhören, was hier vorgeht. Ich habe versprochen, Euch zu helfen. Das geht aber nur, wenn ich weiß, welche neuen Erkenntnisse es gibt.»
«Ihr helft mir am besten, wenn Ihr verschwindet», fuhr er sie an. «Meine Angelegenheiten sind nichts für zartbesaitete Jungfern.»
«Wie bitte? Ich bin keine …» Mira stockte. «Ihr wisst ja nicht, was Ihr redet. Zartbesaitet, dass ich nicht lache!»
Neklas räusperte sich laut und vernehmlich. «Wäret ihr beide wohl so gut, für eine Weile einen Waffenstillstand zu schließen? Ihr könnt Euch später wieder an die Kehle gehen.» Er wandte sich an Tilmann. «Nun sag uns, was es mit diesem heimlichen Treffen auf sich hat.»
«Das war kein heimliches Treffen.» Tilmann schoss noch einen letzten zornigen Blick auf Mira ab, dann drehte er sich wieder zu Reese um. «Ja, ich habe mich mit van Wesel getroffen. Früher schon, das werdet Ihr vermutlich auch schon wissen oder noch herausfinden. Ich stehe seit einigen Jahren mit ihm in geschäftlichen Beziehungen.»
Adelina hob den Kopf, sie glaubte, begriffen zu haben. «Hast du auch ihm Sicherheiten verkauft?»
«Wir hatten einen Vertrag», bestätigte Tilmann. «Genau genommen besteht er immer noch. Diesen Umstand habe ich mir zunutze gemacht, nachdem wir hinter seine Machenschaften gekommen waren. Ich habe versucht, näher an ihn heranzukommen. Wie sonst hätte ich an Informationen über seine Männer gelangen sollen? Clais war über jeden meiner Schritte im Bilde, tatsächlich war es sogar seine Idee, mich bei van Wesel einzuschleusen.»
«Ein gewagtes Unterfangen», stellte Reese mit gerunzelter Stirn fest. «Wenn van Wesel Euch auf die Schliche gekommen wäre …»
«Was er vermutlich ist.» Tilmann nickte. «Entweder hat er seine Männer nach uns ausgeschickt oder einen seiner Verbindungsleute im Stadtrat darauf angesetzt.»
«Verbindungsleute?» Reese merkte auf. «Ihr behauptet, er habe Helfer im Rat?»
«Die muss er haben. Anders sind die Vorgänge der letzten Zeit nicht erklärbar.» Tilmann machte eine ausholende Geste, verzog jedoch sogleich wieder das Gesicht und fluchte unterdrückt. «Ihr wisst doch sicher von den Unstimmigkeiten in den Abrechnungen des Zeughauses. Der Rentmeister selbst hat sie vor den Rat gebracht.»
«Es wurden Erklärungen dafür gefunden.»
«O ja, ebenso wie für den seltsamen Vorgang, dass Löhne der Söldner doppelt abgerechnet wurden.»
«Ihr glaubt, die Gelder seien an den Grafen geflossen?»
Tilmann nickte grimmig. «Entweder das, oder jemand dachte sich, das sei ein netter Ausgleich für die Mühen, die er sich für van Wesel macht. Zumindest ein Teil der verschwundenen oder
Weitere Kostenlose Bücher