Verschwörung in Florenz
und Ketten der vornehmen Damen versprühten tausende bunter Funken. Die Gäste in ihren festlichen Roben sahen ihnen entgegen und applaudierten, Bravorufe waren zu hören, und die Musiker begannen eine fröhliche Weise zu spielen, bei deren Klängen es Anne in den Füßen zuckte. Am liebsten hätte sie sofort begonnen zu tanzen. Sie kam sich vor wie eine Prinzessin auf dem Wiener Hofball und vergaß über den Glanz und die Pracht um sich herum für einen Augenblick sogar ihre Grübeleien über Cosimo.
»Bist du glücklich?«, fragte Giuliano Anne leise, während sie langsam und bedächtig auf dem Weg zu dem großen Kamin den Saal durchquerten.
»Ja«, erwiderte Anne und strahlte über das ganze Gesicht. Das hier war wunderbar, traumhaft. Es war wie im Märchen.
»Ich will dich nur noch glücklich machen, Anne. Bis ans Ende meiner Tage.«
Anne durchfuhr ein wohliger Schauer, und rasch warf sie Giuliano einen Blick zu. Hatte sie richtig gehört? Das klang fast nach einem Heiratsantrag. Doch Giuliano sah so unbewegt geradeaus, dass sie schließlich dachte, sie hätte sich wohl doch getäuscht.
Als sie den Kamin erreicht hatten, stellte sie sich mit Giuliano links davon auf, Lorenzo und Clarice standen auf der rechten Seite. Während Lorenzo mit lauter Stimme zu reden begann, allen für ihre Anwesenheit dankte und mit geschickten, humorvollen Worten einen Bogen von der florentinischen Tagespolitik zu dem Gemälde schlug, auf dessen Enthüllung alle warteten, betrachtete Anne die Gäste. Ihre Gesichter wirkten freundlich, aufgeschlossen. Die meisten von ihnen schienen dankbar für Lorenzos Einladung zu sein und das Fest – obwohl es noch nicht einmal richtig begonnen hatte – in vollen Zügen zu genießen.
Doch da waren auch andere Gesichter, Gesichter mit spöttisch erhobenen Augenbrauen, schmalen, zusammengekniffenen Lippen oder gelangweilten Mienen. Es waren gewiss jene Männer und Frauen, die von Lorenzo abhängig waren, jene, die nicht freiwillig und aus Neugierde seiner Einladung gefolgt waren, sondern die gekommen waren, weil sie die Familie Medici nicht beleidigen durften, wenn sie in Florenz auch in Zukunft überleben wollten. Wenn Cosimo nun doch unschuldig war, konnte dann einer von ihnen den Anschlag auf Giuliano planen?
Ihr Blick glitt über die Angehörigen der Familie Pazzi. Keiner von ihnen wirkte sonderlich beeindruckt, gelangweilt oder amüsiert. Lediglich Giacomo lächelte freundlich und schien aufmerksam zuzuhören. Die Pazzi machten den routinierten Eindruck von Menschen, die sich Reden wie jene von Lorenzo täglich anhören mussten und wohl auch täglich selbst welche hielten. Und dann sah sie Cosimo. Er stand in einer Ecke, halb verborgen hinter einem der dichten dunkelroten Vorhänge, welche die hohen Fenster einrahmten. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ließ seine Augen durch den Saal schweifen. Seinem schmalen, selbst im Licht der Kerzen ungewöhnlich bleichen Gesicht war nicht anzusehen, ob er seinem Vetter überhaupt zuhörte. Er gab sich nicht einmal die Mühe, zu lachen oder zu applaudieren, wenn die anderen es taten.
Er sucht jemanden, dachte Anne und schaute sich um, wer es denn sein könnte. Sie fand den Mann im selben Augenblick wie Cosimo. Es war Giacomo de Pazzi. In dem Moment, als Cosimos Blick auf ihn fiel, wurde er noch blasser als zuvor. Seine dunklen Augen weiteten sich, seine Gesichtszüge wurden starr. Er sah aus wie eine Figur aus einem Panoptikum. Hasste er Giacomo so sehr? Aber warum? Noch während Anne darüber nachgrübelte, stellte sie fest, dass Cosimo seinen Blick jetzt auf sie gerichtet hatte. Rasch sah sie in eine andere Richtung und versuchte sich auf Lorenzos Rede zu konzentrieren, die gerade ihren Abschluss fand.
»… und möchte euch, meinen verehrten Freunden, nun nicht mehr den Anblick dieses Meisterwerkes der Malerei vorenthalten. Bitte, Clarice, Anne, erfüllt nun die ehrenhafte Aufgabe, die euch heute Abend zugedacht ist.« Lorenzo lächelte seiner Frau und Anne zu, und Giuliano gab ihr einen aufmunternden Stoß. Anne trat – ebenso wie Clarice auf ihrer Seite – zu einer goldfarbenen Schnur, die an beiden Seiten des Kamins von der Wand herabbaumelte. Ihre Aufgabe war es, einmal an der Schnur zu ziehen, um das Gemälde zu »enthüllen«. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch nur um einen rein symbolischen Akt, denn die eigentliche Arbeit erledigten die von den Wandbehängen verborgenen Schüler Botticellis. Anne konnte ihre
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