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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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abenteuerliche Geschichte. Sein Stamm hauste an den nördlichen Pamir-Hängen. Er verwickelte sich in einen Krieg mit einem der benachbarten Stämme. Er wurde verwundet, drei seiner Söhne fielen. Ein einziger Sohn blieb am Leben, ein dreijähriger Bub. Mit ihm und seinem Frauenvolk floh er ins Gebirge. Hier wurde er von irgendwelchen Räubern aus Kaschmir überfallen, die ihn abermals verwundeten und mitsamt der jungen Mutter auch den kleinen Sohn sowie die ganze Habe des Begs ergriffen und mit sich nahmen. Ich kehrte gleichen Tags ins Tal zurück, ich kam von der Jagd, auf der ich den großen Bock dort erlegt hatte, und stieß auf das verwüstete Lager. Da die Räuber den Weg nach Süden genommen hatten, und da es durch die Schlucht im ewigen Schnee selbst für Räuber bloß einen einzigen Weg gibt, der nach Kaschmir hinüberführt, fiel es mir nicht schwer, sie einzuholen und zusammen mit meinen drei tatarischen Dienern einzukreisen. Die Räuber trieben ja auch eine Schafherde und führten Frauen mit, und da kommt man nur langsam voran. Dank meinem englischen Präzisionsgewehr war es ein Leichtes, mit ihnen fertigzuwerden. Geht es darum, ein Wildschaf zu erlegen, ist der Schuss viel heikler. Ich brachte also die Frau mitsamt dem Jungen und allem anderen zurück, und darunter befand sich das Schwert. Alp Arslan freute sich über die Rückkehr des Sohns ungemein, das Schwert aber wollte er nicht mehr annehmen, selbst seine Schafe akzeptierte er nur mit Mühe. Er sagte, die Waffe sei meine rechtmäßige Beute; so blieb sie bei mir.«
    Nun lachte Absolon unbändig.
    »Mit Blut erworbenes Gut, wenn auch mit dem Blut anderer. Aber Fürsten gewinnen ihre Länder schließlich auch auf diese Weise.«
    So unterhielt der alte Reisende seine Besucherin bis zum Abendessen und auch nachher mit kleinen Geschichten aus seinem an Abenteuern reichen Leben. Adrienne kündigte an, bevor sie sich zur Nachtruhe begaben, sich am Morgen in aller Frühe auf den Rückweg machen zu wollen.
    »Ich halte Sie nicht zurück«, sagte der Hausherr, »ich weiß, dass Sie reisen müssen. Schon die Tatsache allein, dass Sie mich mit Ihrem Besuch und Vertrauen beehrt haben, weiß ich hochzuschätzen. Doch wenn Sie in der Frühe fahren, würden Sie mich bis Szászrégen mitnehmen? Ich hätte dort eine Kleinigkeit zu erledigen. Bis zur Stadt wäre mir noch die Freude gewährt, die mir Ihre Gesellschaft verschafft.«
    »Aber sicher, auch ich würde mich sehr freuen«, antwortete Adrienne.
    Absolon begleitete sie zum Gastzimmer. Dort wurde sie schon von Máriskó Póka erwartet, die ihr erklärte, wie man die Acetylen-Lampe zu löschen habe. Sie schaute nach, ob eine Kerze, Streichhölzer und Wasser neben dem Bett in Griffnähe waren, dann grüßte sie noch von der Tür: »Küss die Hand!« Und entfernte sich.

    Adrienne, auf den nach Lavendel duftenden Batistkissen liegend, überließ sich ihren Gedanken. Sie blickte befriedigt auf den Tag zurück. Als sie alles erwog, was der Onkel ihres Mannes so gütig versprochen hatte, kamen ihr die paar Worte in den Sinn, die beim Abschied über Szászrégen gefallen waren: Auch er habe dort eine Kleinigkeit zu erledigen. Der Bemerkung kam keinerlei Bedeutung zu. Er mochte hundert Geschäfte haben, die ihn in die Stadt riefen. Warum also dachte sie an diesen kurzen Satz zurück?
    Vielleicht darum, weil eine von Absolons Augenbrauen bei diesem Satz ebenso auf die Stirn hinaufgerutscht war wie zuvor, als er über ihre Scheidung, die Adrienne gegenüber bestehende Verantwortung und … ja, über Pali Uzdy gesprochen und dabei die Worte so vorsichtig gewählt hatte … Vielleicht war dies der Grund ihrer Erinnerung. Die Frage ging ihr nur kurz durch den Kopf. Nach einigen Augenblicken sank sie schon in Schlaf.

    Ein gutes Stück des Wegs nach Régen hatten sie bereits zurückgelegt. Die vier braven Falben trabten frühmorgens in guter Laune. Absolon war nun ziemlich wortkarg. Er schien etwas zu erwägen, etwas vorzubereiten.
    Er vergegenwärtigte sich Vorfälle, die er an Margitkas Hochzeit wahrgenommen hatte. Er war ebenso ein Mann der weisen Gleichmütigkeit wie der scharfen Beobachtung. Die unwillkürliche, doch ständige Aufmerksamkeit des Jägers gehörte zu seinem Wesen. In der Wildnis, zumal in so furchterregenden Regionen, in denen er mehr als ein Drittel seiner Mannesjahre verbracht hatte, musste man alles gewahren, jedes kleinste Geräusch, jede winzige Bewegung, jedes vereinzelte Zeichen. Der Erfolg und

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