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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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nicht gelesen? Meinen Sie wirklich, ich hätte das schreiben lassen? Ist es nicht klar, was das bedeutet?«
    »Verzeihen Sie«, antwortete Winkler, nachdem er sich in den Brief wieder vertieft und den Sinn von Bálints Hinweis begriffen hatte. »Das, was mich betraf, hat mich dermaßen empört, dass ich dies – dumm von mir, entschuldigen Sie! – gar nicht bemerkt habe. Aber so ist es anders, ja ganz anders!« Seine Miene erhellte sich jetzt, denn er war ebenso jähzornig und ungestüm wie gutmütig.
    »Mir tat weh, dass ich glaubte, Sie, Herr Graf, hätten … Sie, von dem ich doch annahm, Sie schätzten meine Arbeit … Das allein war’s! Aber wenn es so steht, dann macht es nichts! Ich werde schon eine andere Stelle finden … So tut es nichts, zwar habe ich heiraten wollen … aber damit kann ich zuwarten … ja, das kann ich …«
    Winkler machte noch viele Worte, denn er spürte offenbar – obwohl er nicht als großer Menschenkenner galt –, dass der Brief des Gutsverwalters lediglich Symptom eines viel ernsthafteren und dramatischeren Geschehens war. Und da er seinen bisherigen Vorgesetzten weder befragen noch trösten konnte, suchte er seine Sympathie durch Weitschweifigkeit auszudrücken. Hiervon zeugte ebenso als Zeichen, dass er seinen Zwicker von der Nase herunternahm.

    Bálint stieg noch gleichen Tags vom Hochgebirge hinab. Eine Unmöglichkeit, als degradierter Mann hierzubleiben! Hierzubleiben als Knecht und Häusler, wo er so freudig gearbeitet und jede kleine Einzelheit selber erledigt hatte, da doch alles von ihm abhing. Sollte er nun da ausharren, wo er nicht einmal wusste, ob Herr Ázbej den Forstwächtern nicht verbieten würde, ihm weiter zu Diensten zu sein; sogar die Benützung der kleinen, dem Gut gehörenden Gebirgspferde könnte er untersagen. Allein schon deshalb musste Bálint unverzüglich das Feld räumen – bevor jedermann erfahren würde, dass er von diesem Tag an nichts und niemand mehr sei; bevor seine bisher so anhänglichen Bediensteten Mitleid mit ihm bekämen; und bevor der feine Herr Gaszton Simó und seine Spießgesellen die Nachricht von seinem Sturz in Triumph begrüßten.
    Er löste das Lager sofort auf. Bis Mereggyó legte er den ganzen Weg zu Pferd zurück. Hier verabschiedete er sich von Winkler, der seiner Sympathie dadurch Ausdruck gab, dass er ihn bis hierher hinabbegleitete. Stumm und mit einem warmen Händedruck nahmen sie Abschied.
    Von da setzte er den Weg in einem rumpelnden Mietwagen nach Bánffyhunyad fort. Zum Glück hatte er sein Auto hier stehen lassen. Er brauchte nicht den Zug zu nehmen – ihm graute es davor, an diesem Bahnhof Bekannten zu begegnen. So konnte er nun nach Csucsa weiterfahren, bevor der Nachtschnellzug ankam.
    Gut traf es sich auch, dass bereits Dunkelheit herrschte. Nichts gab es, worauf er den Blick zurück hätte richten, wovon er sich hätte verabschieden können wie bei der Trennung von Dénestornya. Der rasche Luftstrom im Auto, das in der finsteren Nacht dahinsauste, kühlte ihm die Stirn, die Lichtkegel des Scheinwerfers beanspruchten seine Aufmerksamkeit. »Wie ein hypnotisiertes Huhn!«, sagte er zu sich selber. Er brachte es fertig, auf den heutigen Tag mit herbem Spott zurückzudenken. Bei Tagesanbruch der königliche Hirsch. Am Morgen der irrige Zorn des rechtschaffenen Forstingenieurs. Und jetzt diese Eile, als würde er fliehen!
    Ihm ging auch durch den Sinn, welch ein Glück Gaszton Simó hatte. Jetzt, wo es endlich dazu gekommen wäre, dass er für seine maßlose, gewalttätige Herrschaft hätte büßen müssen, da mischt sich der Zufall ein und rettet ihn. Glück hat er, der Kerl, dachte er, wahnwitziges Glück!
    Monotone Wochen folgten. Bálint zumindest kam es so vor, obwohl sich in der Welt der Politik manches tat. Zu der Zeit, da er noch in Siebenbürgen weilte, wurde die Lage der Koalition allmählich zum Zerreißen gespannt. Während die Propaganda für die selbständige Bank überall im Land immer wilder tobte und der Justh unterstehende Flügel der Unabhängigkeitspartei eine Volksversammlung nach der anderen veranstaltete, wo – in Ansprachen gegen Ferenc Kossuth, den offenkundig nur noch nominellen Führer – allen verkündet wurde, dass in dieser Frage nicht einmal eine vorübergehende Lösung akzeptiert werde, trat der gemeinsame Kriegsminister mit einer Forderung an die Regierung Wekerle heran: Sie möge billigen und durchsetzen, dass das Parlament der Armee fünfhundert Millionen Kronen zugestehe,

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