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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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und zwar unverzüglich.
    In der Tat, wegen der Aufrüstung in ganz Europa und namentlich in Russland war dieser Schritt nun zweifellos dringend. Die Ausrüstung der Monarchie galt als veraltet. Sachliche Gründe für den Vorschlag lagen also reichlich vor. Das Habsburgerreich drohte sowohl als Gegner wie auch als Verbündeter drittrangig zu werden, wenn seine Landesverteidigung hinter den anderen Mächten so weit in Rückstand geriet. Da aber diese Forderung genau zu der Zeit erhoben wurde, da die Regierung sie zu erfüllen offenkundig außerstande war, sprach die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Thronfolger erneut seine Hand im Spiel hatte, da er annahm, in der Person von László Lukács’ seinen Kandidaten an die Macht bringen zu können.
    Zum zweiten Mal trat die Regierung nun schon zurück, und Wekerle gab vor dem Parlament sogar bekannt, dass die Koalition sich aufgelöst habe. Doch der König befahl: »Weiterdienen!« 88 und entließ sie nicht.
    So präsentierte sich die Lage, als Abády in Budapest ankam. Alles Weitere spielte sich in seiner nächsten Nähe ab: die sich unendlich hinziehende Regierungskrise mit ihren unzähligen Kombinationen, die Ernennung eines Übergangskabinetts unter Wlassits, wobei zuerst Kossuth und hernach Andrássy als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten galten. Dies alles, kaum erwähnt, fiel allerdings gleich zurück in das graue Nirwana der unausführbaren träumerischen Vorstellungen. Wlassits verfügte ja über keine Mehrheit, Kossuth hätte nur unter Übernahme der Parolen »unabhängige Bank« und »Zollgebiet« zusagen können, während Andrássy in der Frage der eigenen Kommandosprache für ungarische Regimenter unbedingt Zugeständnisse hätte machen müssen; er hielt an diesen Forderungen bis zuletzt fest, die Krone aber zeigte sich nicht bereit, auch nur das Geringste zu gewähren. Apponyi versuchte wohl, die Kluft zu überbrücken, indem er eine Formel vorschlug: Man halte an den militärpolitischen Forderungen nur grundsätzlich fest, gebe sie nicht auf, wünsche aber nicht ihre Verwirklichung. All dies erwies sich aber als völlig vergeblich und verschlimmerte nur das Chaos, das durch die Auflösung der Koalition entstanden war.
    Die maß- und nutzlose Aufregung ermüdete die Öffentlichkeit. Sosehr auch die verschiedenen Zeitungen der einst verbündeten Parteien lärmten, einander beschimpften und bekämpften, die Menschen wandten sich ab. Niemand glaubte mehr an das, was er über die Koalition las; sie hatte ihren Kredit gänzlich verspielt. Die Erbsünde hatte die Regierung gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit begangen, als sie behauptete, sie habe als eine oppositionelle Kraft gesiegt; in Wirklichkeit hatte sie kapituliert. Der üppige faule Zauber, in Nationalfarben verpackt, hatte die Mehrheit gebracht, und als Mittel wurde er auch unter der Herrschaft der Koalition benutzt; doch es zeigte sich, dass er nicht mehr war als ein Kniff für die Wahlkampagne. Hinzu kamen die Programmpunkte, auf welche sich die Regierung bei ihrer Ernennung verpflichtet hatte, der Pakt, dessen Existenz überhaupt abgestritten wurde, bis dann ans Tageslicht kam, dass es ihn nicht nur gab, sondern er sogar den Preis darstellte, der für den Machtantritt der Koalition erlegt worden war; und zuletzt noch die Tatsache, dass die Regierungsparteien die Reform des Wahlrechts versprochen, sie aber in dreieinhalb Jahren nicht verwirklicht hatten. All dies wirkte sich auf die öffentliche Meinung niederschmetternd aus.
    Die Anführer der Koalition fochten nun gegeneinander sozusagen im luftleeren Raum, ohne dass sie es bemerkten. Sie schmetterten immer noch die gleichen Sprüche, um derentwillen man sie einst wie Halbgötter angebetet hatte: Bankenparität, selbständiges Zollgebiet, ungarische Kommandosprache, Degenquaste in den Farben der nationalen Trikolore. Sie verkündeten dies weiterhin auf Volks- und Parteiversammlungen und nahmen vor lauter Hochrufen nicht wahr, dass die Parolen kein Echo mehr auslösten.
    Das ernüchterte Publikum scherte sich um dergleichen nicht mehr. Selbst viel ernsthaftere Zeichen entgingen seiner Aufmerksamkeit. Niemand nahm zur Kenntnis, niemanden bekümmerte es, dass im Zagreber Hochverratsprozess 31 Angeklagte zu Gefängnisstrafen zwischen vier und zwölf Jahren verurteilt wurden und dass die französische Presse die Verurteilten feierte. Darum, dass der russische Zar Ende Oktober in Racconigi dem italienischen König einen Besuch abstattete,

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