Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
und Stechmücke. Die breiten, durchsichtigen Flügel waren violett eingefärbt und wiesen ein filigranes dunkles Muster auf, sodass es so aussah, als wären sie von winzigen Adern durchzogen. Die hervorstehenden rötlichen Augen waren so groß wie Murmeln, und ich würde heute noch schwören, dass diese Augen uns gierig ansahen.
Als Carl gegen die Scheibe klopfte, landeten dort drei weitere Insekten, gefolgt von einem fünften, sechsten und siebten Artgenossen. Sie wussten, dass wir uns hinter der Scheibe befanden und wollten zu uns hinein. Mit sirrenden Flügeln krochen sie über das Glas, wobei jedes Exemplar zur Sondierung einen dicken Saugrüssel ausfuhr. Dieser Saugrüssel war das Obszönste an ihnen: Er war gummiartig, pulsierte, und die Spitze stülpte sich so vor wie ein feuchter rosafarbener Mund. Als diese »Münder« an der Scheibe saugten, sich aufblähten und wieder zusammenzogen, sah es so aus, als würden sie das Glas küssen.
Instinktiv graut es uns vor Insekten, insbesondere vor großen, und dieses Grauen kann sich zu panischer Angst entwickeln, wenn sie – so wie dieser Schwarm es tat – über uns herfallen.
Ich weiß nicht, was das für Kreaturen waren, das konnte damals niemand genau sagen. Jedenfalls waren es Ungeheuer, die aus der mit Radioaktivität gesättigten Asche aufgestiegen waren. Die radioaktive Strahlung hatte deren Gene so verändert, dass sie sich den Jagdgründen dieser neuen, aus den Fugen geratenen Welt perfekt anpassen konnten. Wir nannten sie Blutsauger , und diese Bezeichnung erfüllte ihren Zweck, denn genau das waren sie. Laut summend schwirrten sie in dichten Wolken herum und stürzten sich auf alles, das rotes Blut in sich hatte, um es vollständig auszusaugen.
Ich hatte das schon gesehen, es war wirklich grausig.
Als Carl erneut gegen die Scheibe klopfte, hatte ich ein mulmiges Gefühl im Magen, denn ich befürchtete, sie könne zerspringen, aber das tat sie nicht, und die Insekten flogen davon. Auf dem Parkplatz unter uns hatten sich Hunderte von ihnen wie Eintagsfliegen zu einem riesigen summenden Schwarm versammelt, der auf- und abstieg. Manche schossen kurz aus der Masse heraus und wieder zurück oder vollführten Tänze umeinander.
Trotz des lauten Summens konnte ich unsere Gegner unten schreien hören, so entsetzlich, dass ich es wohl nie vergessen werde. Sie waren mit Blutsaugern übersät, buchstäblich von ihnen eingehüllt. Während sie sich auf dem Boden wanden, zerquetschten sie mit ihren Körpern Insekten, doch ständig strömten neue nach, um sich an ihnen zu laben. Diese vorgestülpten Lippen – ich weiß nicht, wie ich sie sonst nennen sollte – an den Enden der Saugrüssel hafteten an den Männern und saugten ihnen das Blut so laut aus, dass ich das Schmatzen hören konnte. Es klang so, als schlürfte ein Kind Pudding durch einen Strohhalm.
Janie, die heftig zitterte, zog sich vom Fenster zurück, legte die Arme um sich und hielt sich schließlich die Hände über die Ohren. Sie weinte und hatte den Mund so geöffnet, als wollte sie schreien, aber es drang nur ein ersticktes Wimmern heraus.
Auch Texas zitterte. Beide hatten furchtbare Angst vor Insekten, und der Schwarm da unten verzehnfachte diese Angst noch. Texas nahm Janie in die Arme und sie hielt sich an ihm fest. Vielleicht hätte ich versuchen sollen, sie mit gelassenen Worten zu beruhigen, aber mir lief selbst ein Schauer des Entsetzens über den Rücken.
Auch Carl ging es nicht gerade gut, obwohl ihn normalerweise nichts und niemand einschüchtern konnte. Über sein Gesicht rannen Schweißperlen und ich hätte wetten können, dass sie eiskalt waren, genau wie die auf meiner Stirn.
Auf dem Parkplatz ging das Festmahl weiter. Mittlerweile hatte der Schwarm die Körper der beiden Toten entdeckt und sich darüber hergemacht. Der Treibstoff des Lastwagens war zwar längst verbrannt, doch er schwelte immer noch, stieß aber nicht genügend Rauch aus, um die Insekten zu vertreiben.
Während sich die Adern und Kapillaren der Blutsauger mit geraubtem Blut füllten, blähten sich ihre Körper auf und nahmen ein helles, kräftiges Rot an – genau wie das Hinterteil einer weiblichen Stechmücke, nachdem sie sich an einem menschlichen Arm bedient hat. Bei manchen Blutsaugern hatte das Blut den Körper so aufgetrieben, dass sie kaum noch vom Boden abheben konnten. Mit dem vorgewölbten, grellroten Brustkorb boten sie einen überaus bizarren Anblick – den von scharlachrot funkelnden kleinen
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