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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ihre und dessen Verstand dem ihren – ach, so unendlich überlegen war!«
    »Doch Ihre Gleichgültigkeit gegenüber diesem unglücklichen Mädchen – ich muß es sagen, so unerfreulich für mich die Erörterung eines solchen Gegenstandes sehr wohl sein mag   –, Ihre Gleichgültigkeit ist keine Entschuldigung für Ihre grausame Vernachlässigung des Mädchens. Glauben Sie nicht, daß irgendeine Schwäche, ein angeborener Mangel an Intelligenz bei ihr
Sie
für Ihre unbarmherzige Grausamkeit entschuldigt. Sie müssen gewußt haben, daß sie – während Sie sich selbst in Devonshire vergnügt haben, neue Pläne verfolgten, immer fröhlich, immer glücklich waren – in äußerste Not geriet.«
    »Aber, auf mein Wort, ich habe es
nicht
gewußt«, erwiderte er heftig; »ich erinnerte mich nicht, daß ich es versäumt hatte, ihr meine Adresse zu geben; aber ihr gesunder Menschenverstand hätte ihr sagen müssen, wie sie herauszubekommen war.«
    »Nun, Sir, und was sagte Mrs.   Smith?«
    »Sie warf mir sofort mein Vergehen vor, und meine Verwirrung kann man sich vorstellen. Die Reinheit ihres Lebens, ihre herkömmlichen Vorstellungen, ihre Unkenntnis der Welt – alles sprach gegen mich. Die Sache selbst konnte ich nicht leugnen, und vergeblich war alles Bemühen, sie abzumildern. Ich glaube, sie neigte auch vorher schon dazu, der Moral meines Verhaltens ganz allgemein zu mißtrauen, und war darüber hinaus unzufrieden mit der so geringen Aufmerksamkeit, dem so geringen Anteil meiner Zeit, die ich ihr bei dem damaligen Besuch gewidmet hatte. Kurz gesagt, es endete mit |350| einem völligen Bruch. Mit einer Maßnahme hätte ich mich retten können. Die gute Frau mit ihren hohen moralischen Grundsätzen! Sie erklärte sich bereit, mir die Vergangenheit zu vergeben, wenn ich Eliza heiraten würde. Das konnte nicht sein – und so wurde ich in aller Form aus ihrer Gunst und ihrem Haus verbannt. Die darauffolgende Nacht – ich sollte am nächsten Morgen gehen – verbrachte ich damit, zu überlegen, was ich nun in Zukunft tun sollte. Es war ein schwerer Kampf, doch er endete allzu schnell. Meine Liebe zu Marianne, meine vollkommene Überzeugung ihrer Zuneigung zu mir – es reichte alles nicht aus, meine große Furcht vor der Armut zu überwinden und die falschen Vorstellungen von der Notwendigkeit des Wohlstands zu besiegen, zu denen ich schon von Natur aus neigte und die mein aufwendiger gesellschaftlicher Umgang noch gefördert hatte. Ich hatte Grund zu glauben, daß ich meiner jetzigen Frau sicher sei, wenn es mir gefiele, um sie zu werben, und ich redete mir ein, daß mir, der Vernunft gehorchend, nichts anderes übrigblieb. Doch es erwartete mich eine bedrückende Szene, ehe ich Devonshire verlassen konnte. Ich war gerade an diesem Tag bei Ihnen zum Dinner eingeladen, so war eine Entschuldigung für meine Absage notwendig. Doch ich kämpfte lange mit mir, ob ich sie schriftlich oder persönlich vorbringen sollte. Ich fühlte, daß Marianne zu begegnen schrecklich sein würde, und ich zweifelte, ob ich sie wiedersehen und bei meinem Entschluß bleiben konnte. In diesem Punkt unterschätzte ich mich völlig, wie das Ergebnis zeigte; denn ich ging hin, ich sah sie und sah, wie unglücklich sie war, und ließ sie unglücklich zurück – ging und hoffte, sie nie wiederzusehen.«
    »Warum sind Sie überhaupt gekommen, Mr.   Willoughby?« fragte Elinor vorwurfsvoll; »ein Billett hätte doch den gleichen Zweck erfüllt. Warum war es notwendig, selbst zu kommen?«
    »Mein eigener Stolz gebot es mir. Ich konnte es nicht ertragen, die Gegend in einer Weise zu verlassen, die Sie und die übrige Nachbarschaft irgend etwas davon hätte argwöhnen |351| lassen, was wirklich zwischen Mrs.   Smith und mir vorgefallen war; und ich beschloß deshalb, auf meinem Wege nach Honiton in Barton Cottage vorzusprechen. Doch der Anblick Ihrer lieben Schwester war furchtbar für mich; und es verschlimmerte die Sache noch, daß ich sie allein fand. Sie waren alle fort, ich weiß nicht, wohin. Ich hatte sie noch am Abend zuvor in meinem Innern so fest, so absolut entschlossen in der Absicht verlassen, recht zu tun! Wenige Stunden nur, und sie wäre mir für immer angelobt gewesen; und ich erinnere mich, in welch glücklicher, welch fröhlicher Stimmung ich war, als ich von Ihnen nach Allenham zurückging, zufrieden mit mir selbst und von allen beglückt! Aber in diesem, unserem letzten freundschaftlichen Gespräch begegnete ich ihr mit einem

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