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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einzigen zehn Minuten, die ich seit dieser Zeit außerhalb meiner Kutsche verbracht habe, verschafften mir ein Frühstück in Marlborough.«
    Sein ruhiges Auftreten und sein klarer Blick, während er sprach, überzeugten Elinor, daß es, welche andere unverzeihliche Torheit ihn auch nach Cleveland gebracht haben mochte, nicht Trunkenheit gewesen war, und sie sagte nach einem Augenblick der Besinnung: »Mr.   Willoughby, Ihnen sollte klar sein, und gewiß sehe
ich
es so, daß Ihr Kommen und die Art, wie Sie sich meiner Beachtung aufgezwungen haben, einer ganz besonderen Rechtfertigung bedürfen. Was bezwecken Sie damit?«
    »Ich will«, erwiderte er mit ernstem Nachdruck, »wenn es mir möglich ist, damit erreichen, daß Sie mich um eine Kleinigkeit weniger hassen, als Sie es jetzt tun. Ich möchte Ihnen eine Art Erklärung, eine Art Entschuldigung für das Vergangene geben – Ihnen mein ganzes Herz öffnen, und indem ich Sie davon überzeuge, daß ich, obgleich ich immer ein Dummkopf, doch nicht immer ein Schurke gewesen bin – so etwas wie Verzeihung von Ma   – Ihrer Schwester erlangen.«
    »Ist dies der wirkliche Grund Ihres Kommens?«
    »Bei meiner Seele, ja«, erwiderte er, mit einer Leidenschaft, die ihr den ganzen früheren Willoughby in Erinnerung brachte und sie unwillkürlich an seine Aufrichtigkeit glauben ließ.
    »Wenn das alles ist, dann können Sie schon jetzt ganz beruhigt sein, denn Marianne verzeiht   ... sie hat Ihnen schon lange verziehen.«
    »Hat sie das!« rief er in dem gleichen lebhaften Ton. »Dann hat sie mir vergeben, bevor sie es hätte tun sollen. Doch sie soll mir noch einmal vergeben, und zwar auf einer berechtigteren Grundlage. Wollen Sie mir nun zuhören?«
    Elinor nickte zustimmend.
    »Ich weiß nicht«, sagte er nach einer erwartungsvollen Pause auf ihrer Seite und einer nachdenklichen auf der seinen, »wie Sie sich mein Verhalten Ihrer Schwester gegenüber |346| erklärt haben oder was für einen teuflischen Grund Sie mir dafür angelastet haben mögen. Vielleicht werden Sie kaum eine bessere Meinung von mir bekommen – aber es ist den Versuch wert, und Sie sollen alles hören. Am Anfang, als ich mit Ihrer Familie näher bekannt wurde, hatte ich keine andere Absicht, keinen anderen Gedanken dabei, als meine Zeit angenehm zu verbringen, während ich genötigt war, in Devonshire zu bleiben – angenehmer, als ich sie jemals zuvor verbracht hatte. Der Liebreiz Ihrer Schwester und ihr anziehendes Wesen konnten nicht verfehlen, mich zu erfreuen; und ihr Verhalten mir gegenüber, beinahe vom ersten Augenblick an, war von einer Art   ... Es ist verwunderlich, wenn ich darüber nachdenke, wie es war und was
sie
für ein Mädchen war, daß mein Herz so unempfänglich gewesen sein konnte! Doch ich muß zugeben, zu Anfang schmeichelte es nur meiner Eitelkeit. Ohne mich um ihr Glück zu kümmern, nur mein eigenes Vergnügen im Sinn und Gefühlen nachgebend, denen ich mich aus reiner Gewohnheit schon immer allzusehr hingegeben hatte, versuchte ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln, mich ihr angenehm zu machen, ohne irgendwelche Absicht, ihre Zuneigung zu erwidern.«
    An dieser Stelle unterbrach ihn Miss Dashwood und sagte, während sie ihn mit einem Blick voller Zorn und Verachtung ansah: »Es ist kaum der Mühe wert, Mr.   Willoughby, daß Sie mir das erzählen und ich Ihnen noch länger zuhöre. Einem solchen Anfang kann nichts mehr folgen. Quälen Sie mich nicht damit, daß ich noch mehr davon zu hören bekomme.«
    »Ich bestehe darauf, daß Sie alles hören«, erwiderte er. »Mein Vermögen war niemals groß, und ich bin immer verschwenderisch gewesen; ich pflegte stets, mich Leuten anzuschließen, die ein besseres Einkommen hatten als ich. Jedes Jahr, seit ich mündig wurde, oder sogar schon davor, glaube ich, waren meine Schulden größer geworden; und obgleich der Tod meiner alten Verwandten, Mrs.   Smith, mich davon befreien würde, so war dieses Ereignis doch ungewiß und möglicherweise noch weit entfernt; und es war schon seit einiger Zeit meine Absicht gewesen, durch die Heirat mit |347| einer vermögenden Frau meine Verhältnisse wieder in Ordnung zu bringen. Daran, mich an Ihre Schwester zu binden, war deshalb nicht zu denken; und mit einer Gemeinheit, Selbstsucht und Grausamkeit – die auch kein empörter, kein verächtlicher Blick von Ihnen, Miss Dashwood, jemals genug verdammen kann, handelte ich in dieser Weise, versuchte Mariannes Zuneigung zu

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