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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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Erinnerungen an meinen Vater aus der Zeit vor dem Krieg.
    Wir sind zu dritt nach Amsterdam gefahren. Mit dem Boot, weil der Zugverkehr noch nicht in Gang gekommen war. In einer der ersten Wochen nach der Befreiung fragte mich meine Mutter, ob ich während des Krieges mal mit dem Zug gefahren wäre. Ich erzählte ihr von meinem Ausflug nach Woerden. »An diesem Tag«, sagte meine Mutter, »wurde ich mit dem Zug abgeführt. Wir standen am Utrechter Hauptbahnhof in einer Reihe vor der Zugtür und plötzlich sah ich dich dort gehen. Schrecklich war es, dich dort zu sehen. Ich wollte nach dir rufen, aber natürlich hielt ich den Mund, sonst hätte man dich auch mitgenommen.«
    Wir hatten nichts mehr nach dem Krieg. Ich lief auf Holzsandalen. Mein Onkel nahm uns mit zu einem Schuhmacher im Osten der Stadt, der für uns ein paar maßgeschneiderte Schuhe anfertigte – die einzigen handgemachten Schuhe, die ich je besessen habe. Von der Stadtverwaltung bekam meine Mutter Wertmarken, um Sachen anzuschaffen. Aber es gab kaum etwas. Wenn sie morgens hörte, dass es etwas zu kaufen gab, stellte sie sich in die Reihe, um etwas zu ergattern. Oft war sie erst nachmittags um vier Uhr wieder da.
    Der Krieg hat meine Mutter kaputt gemacht. Da sie all die Jahre ums Überleben hatte kämpfen müssen, war sie egoistisch geworden. Eigentlich konnte sie nur noch sich selbst lieben. Und sie war eifersüchtig auf meine Untertauchmutter, die sich für mich mehr wie meine echte Mutter anfühlte, weil sie so lieb zu mir war. Meine Mutter versuchte auch, die Beziehung zwischen mir und meiner Pflegemutter zu zerstören.
    Als meine Pflegemutter 1981 siebzig wurde, gab es ein großes Fest. Für alle Kinder und Enkelkinder hatte sie Ferienhäuschen gemietet.
    Ich kam mit meiner Familie mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, wir waren daher die Letzten. Als wir den Festsaal betraten, sagte sie: »So, jetzt sind all meine Kinder und Enkelkinder hier bei mir.«
    2 Aus niederländischer Perspektive dauerte der Krieg von 1940 bis 1945, aber für alle, die früher angegriffen wurden, beginnt er 1939.

Onkel Henks Kinder

    Sieny Kattenburg,
geboren in Amsterdam am 19. März 1924
    Als alle jüdischen Schüler Anfang 1941 die Schule verlassen mussten, sagte eine Freundin von mir: »Sieny, wir suchen uns Arbeit. Wir bewerben uns bei einem Kinderhort an der Plantage Middenlaan, da sucht man Personal.« Der Kinderhort war sowohl für jüdische als auch nichtjüdische Kinder. Auch das Personal war »gemischt«.
    Die Direktorin, Frau Henriëtte Henriquez Pimentel, stellte uns ein, wir konnten eine Ausbildung zur Kinderpflegerin machen. Im Juni 1942 fingen die Razzien an. Juden wurden immer öfter auf der Straße verhaftet und nachts aus ihren Wohnungen geholt. Manchmal wurden sie sofort abgeführt, aber meistens hielt man sie zunächst vorübergehend in der Hollandsche Schouwburg. Da in der Schouwburg viel zu wenig Platz war und den Deutschen die Kinder viel zu lästig und laut waren, wurde der Kinderhort, in dem ich arbeitete, zur Kinderbetreuung genutzt. Alles nichtjüdische Personal wurde auf Befehl der Deutschen entlassen und es durften auch keine nichtjüdischen Kinder mehr im Hort aufgenommen werden. Künftig mussten wir uns Tag und Nacht um Säuglinge, Kleinkinder und ältere Kinder kümmern, obwohl wir zunächst weder Betten noch Matratzen, Laufställe oder Babysachen hatten. Die hat der Judenrat dann besorgt. Und Essen.
    Die Direktorin übergab drei Mädchen die Verantwortung für die drei verschiedenen Altersgruppen. Ich bekam die Kleinen von null bis vier. Ich war jetzt jeden Tag in der Hollandsche Schouwburg. Die Menschen saßen auf dem Boden und den ausrangierten Theatersitzen, abends wurde Stroh ausgelegt, auf dem sie liegen konnten. Es stank, im gesamten Gebäude gab es nur ein paar Toiletten. In den ersten Wochen, nachdem die Deutschen die Führung des Kinderhorts übernommen hatten, durften die Mütter noch in den Hort, um ihre Babys zu füttern. Später verboten die Deutschen auch das und wir brachten die Kinder zu ihren Müttern in die Schouwburg.
    Alle wollten dort raus. Wenn ich mal wieder mit einem Kind zum Kinderhort zurückging, wurde ich von Müttern und Vätern angesprochen. »Darf ich mitkommen?« »Nimm bitte meinen Sohn mit!« Einmal ist tatsächlich ein Junge mit mir gegangen, draußen rannte er weg. Die Deutschen mit ihren Gewehren hinterher. Und ich auch. Hätte ich ihn nicht festgehalten, hätten sie auf ihn geschossen.
    Am

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