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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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nichts. Übersät mit blauen Flecken, dreckig und patschnass kam ich zu Hause an. An unserer Hauswand lehnte ein fremdes Fahrrad. Drinnen saß Herr Jonker und sprach mit meinen Eltern. Er verurteilte die NSB zutiefst, hatte jedoch das Gefühl, darüber in der Schule besser nichts zu sagen.
    Als ich 1936 von der Schule abging, arbeitete ich zunächst bei meinem Vater. Er war Viehhändler und Metzger. Er handelte vor allem mit Schafen und Kälbern, und regelmäßig holte er große Tierherden aus Deutschland, nicht weit entfernt von der Grenze. Bei uns zu Hause wurde rituell geschlachtet. Wir hielten uns an die jüdischen Traditionen. Wenn der Sabbat begann, jeden Freitag um vier Uhr, war mein Vater zu Hause und das Geschäft geschlossen.
    Nach einem halben Jahr sagte mein Vater: »Du musst eine Weile woanders in die Lehre gehen, dich ein wenig umsehen.« So landete ich bei einem Onkel und einer Tante in Nieuwe Pekela, die auch eine Metzgerei hatten. Dort arbeitete ich bis kurz nach Kriegsausbruch. Schon bald beschlagnahmten die Deutschen den Betrieb. Das hieß, dass die Kühe wegkamen und das Geld abgegeben werden musste. Aus war es mit der Metzgerei. Auch mein Vater besaß inzwischen keine Kühe mehr. Ein christlicher Kollege meines Onkels, Abraham Buzeman, bot mir damals Arbeit an – 1941 durfte man als Jude noch bei Nichtjuden arbeiten.
    Als wir einmal in einem Schlachthaus in Oude Pekela bei der Arbeit waren, kam ein anderer Schlächter namens Koene herein. Er war Mitglied der Landwacht Nederland, einer Art Hilfspolizei für die Deutschen, die hauptsächlich aus Mitgliedern der NSB bestand. Während ich danebenstand, sagte er: »Bram, du solltest diesen Judenknecht abschaffen, der passt hier nicht rein.«
    »Koene, ich bin hier der Chef, nicht du. Scher dich fort, sonst prügele ich dich auf die Straße«, entgegnete Buzeman.
    Koene zog ab, aber nach einer Weile kehrte er zurück, in schwarzer Uniform und in Begleitung zweier Freunde. Im Türrahmen stehend sagte einer der Männer: »Bram, du hast gehört, was Koene gesagt hat: Du sollst diesen Judenknecht hier nicht mehr arbeiten lassen, besorg dir einen anderen.«
    »Das entscheide ich schon noch selbst«, sagte Buzeman.
    Wir arbeiteten an diesem Tag zu sechst, sie waren zu dritt. Aber sie hatten Jagdgewehre. Als einer von ihnen das Gewehr von der Schulter nahm, stürzten wir uns auf die drei. Sie stanken nach Genever, hatten sich Mut angetrunken, bevor sie zum Schlachthaus kamen.
    Danach ging ich nicht mehr mit zum Schlachthaus, arbeitete aber weiterhin bei Buzeman zu Hause, wo wir unter anderem Würste machten. Das muss Koene gehört haben, denn eines Tages kam er wieder zu Buzeman. »Da ist dieser Judenknecht ja immer noch! Er muss weg, und wenn du nicht dafür sorgst, lasse ich dich abholen!«
    Nachdem Koene verschwunden war, sagte ich: »Ich gehe, ich bleibe nicht hier.«
    »Du brauchst nicht weg, sie sollen ihren Willen nicht kriegen.«
    Ich ging trotzdem, das war im Dezember 1941. Ich konnte bei einem anderen Bauern in Nieuwe Pekela anfangen. Buzeman haben sie trotzdem abgeholt und in ein Konzentrationslager gesteckt. Er ist zwar zurückgekommen, hatte aber im Lager eine Krankheit bekommen, an der er kurz nach dem Krieg starb.
    Ein halbes Jahr später kam mein Onkel zu mir. Der Ortspolizist war bei ihm gewesen und hatte gesagt: »Ich muss Bennie und dich am Mittwochmorgen verhaften«, sagte er, »nach Winschoten bringen und dort auf dem Bahnhof den Deutschen übergeben. Ich verhafte euch nicht jetzt, aber wenn ihr am Mittwochmorgen zu Hause seid und nicht schon freiwillig in die Straßenbahn nach Winschoten gestiegen seid, muss ich euch festnehmen.« Wir begriffen die Warnung. »Ich fahre nicht freiwillig«, sagte ich zu meinem Onkel. »Ich auch nicht«, sagte er. »Aber wo willst du hin?«
    »Keine Ahnung.«
    »Lass uns gemeinsam weggehen, das ist besser.«
    Am selben Abend, etwa um zehn Uhr, brachen wir auf. Mein Onkel kannte einen Friseur ein paar Kilometer entfernt, bei dem wir vielleicht bleiben konnten. Wir kamen dort an, klopften an die Tür und an die Fenster. Niemand öffnete. Ich war so müde, dass ich im Garten in der Sandkiste der Kinder einschlief. Mein Onkel saß die ganze Nacht wach, besorgt wegen seiner Frau und den drei Kindern, die er zurückgelassen hatte.
    Morgens früh klopfte er wieder an die Tür. Jetzt machte jemand auf. »Oh, ihr seid es, kommt rein.« Wir verbrachten den Tag dort in einem Schlafzimmer. Am Ende des Nachmittags kam

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