Verstohlene Kuesse
reichte sie ihm ihre Hand, und er umfasste sie so fest, als fürchte er, sie könnte sich heimlich davonstehlen.
Sie wartete, bis er wieder eingeschlafen war, ehe sie flüsterte: »Ich liebe dich, Edison.«
Er gab ihr keine Antwort. Was, da er schließlich schlief, nur natürlich war.
Kurz vor Mittag wurde sie vom Geräusch zur Seite geworfener Decken und einem leisen, unterdrückten Fluch geweckt. Sie öffnete die Augen und merkte, dass heller Sonnenschein ins Zimmer fiel. Sie war vollkommen steif von dem stundenlangen Kauern in dem, wenn auch großen und bequemen, Lesesessel neben seinem Bett.
Edison saß auf der Bettkante und bedachte sie mit dem für ihn typischen rätselhaften Blick. Eine seiner Hände lag unbeholfen auf seinem Verband, aber sein Gesicht wies wieder eine gesunde Farbe auf, und seine Augen waren klar und wach wie sonst. Er war bis auf die Hüfte nackt.
Plötzlich empfand Emma eine ungeahnte Schüchternheit. Es störte sie, dass sie errötete, und vorsichtig räusperte sie sich. »Wie fühlen Sie sich, Sir?«
»Alles tut mir weh.« Er sah sie mit einem schwachen Lächeln an. »Aber danke, ansonsten geht es mir ganz gut.«
»Hervorragend.« Sie stand entschlossen auf und versuchte nicht zusammenzuzucken, als ihre steifen Beine beinahe unter ihr fortknickten. »Dann bestelle ich Ihnen ein bisschen Toast und eine Kanne Tee.«
»Hast du in dem Sessel gesessen, seit wir zurückgekommen sind?«
Sie blickte unbehaglich in den Spiegel und stöhnte, als sie ihr zerknittertes Kleid und ihre wirren Haare sah. »Das ist ja wohl unmöglich zu übersehen.«
»Ich weiß, ich habe dir das Versprechen abgenommen, hier zu sein, wenn ich wieder wach werde, aber damit habe ich nicht gemeint, dass du in dem Sessel schlafen sollst. Es hätte mir gereicht, wenn du irgendwo im Haus gewesen wärst.«
Sie öffnete den Mund, klappte ihn in Ermangelung der passenden Worte wieder zu und versuchte es ein zweites Mal.
»Tee und Toast«, brachte sie mühsam hervor. »Ich bin sicher, dass Sie hungrig sind.«
Er sah sie reglos an. »Ich habe heute Nacht nicht halluziniert, Emma. Und ich habe nichts vergessen von dem, was ich gesagt habe. Ebenso wenig wie ich vergessen habe, dass du versprochen hast, mich zu heiraten.«
»Warum?« fragte sie rundheraus.
Er starrte sie verwundert an. »Warum?«
»Ja, warum?« Sie wedelte mit den Händen durch die Luft und begann, im Zimmer auf und abzulaufen wie ein im Käfig gefangenes Tier. »Es ist ja schön und gut, dass Sie sagen, Sie wollen mich heiraten, aber Sie müssen verstehen, dass ich das Recht habe zu erfahren, warum genau Sie das tun wollen.«
»Aha.«
»Liegt es daran, dass Sie meinen, dazu verpflichtet zu sein?« Sie bedachte ihn mit einem giftigen Blick. »Denn wenn das der Fall ist, so lassen Sie mich Ihnen versichern, dass das keinesfalls nötig ist. Dank der Rückkehr der Goldenen Orchidee sind meine finanziellen Probleme gelöst.«
»Das stimmt«, pflichtete er ihr unumwunden bei.
»Und mein Ruf kann mir vollkommen egal sein, denn ich habe sowieso nicht die Absicht, in den sogenannten besseren Kreisen zu verkehren. Lady Exbridge hat sich freundlicherweise angeboten, meine Schwester Daphne in die Gesellschaft einzuführen. Ich für meinen Teil werde mich im Hintergrund halten, und am Ende werden sie alle vergessen, dass ich einmal des Mordes verdächtigt wurde und mit Ihnen verlobt gewesen bin.«
»Meine Großmutter hat dir versichert, dass sich derartige Kleinigkeiten mühelos unter den Teppich kehren lassen, stimmt's ?«
»Das hat sie getan.« Am anderen Ende des Zimmers blieb Emma plötzlich stehen. »Sie sehen also, dass keine Notwendigkeit besteht, mich aus Ihrem Ehrgefühl heraus zu heiraten.«
»Tja, dadurch werden natürlich die Möglichkeiten sehr stark eingeschränkt.«
»Was soll das heißen, Sir?«
Er lächelte sie freundlich an. »Ganz offensichtlich gibt es also nur noch einen möglichen Grund dich zu heiraten.«
»Falls Sie meinen, Sie könnten mich davon überzeugen, dass Sie die Erträge meines Anteils an der Fracht der Goldenen Orchidee benötigen, sparen Sie sich den Atem, Sir. Welche Summe auch immer für mich aus dieser Sache herausspringt, ist sie für einen Mann mit Ihren Einkünften sicher nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.«
»Ich liebe dich.«
Sie glotzte ihn sprachlos an.
»Und ich hoffe inständig, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht.«
»Edison!«
»Bevor ich vorhin nochmals eingeschlafen
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